Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Little Bee

Little Bee

Titel: Little Bee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Cleave
Vom Netzwerk:
hätte.
    Charlie schlief noch. Andrew ging rasch im Arbeitszimmer an den Apparat, bevor das Klingeln unseren Sohn weckte. Andrews Stimme klang erregt. Ich konnte sie vom Schlafzimmer aus deutlich hören. Lassen Sie mich einfach in Ruhe, sagte er. Das alles ist lange her und war nicht meine Schuld.
    Das Problem war nur, dass mein Mann das nicht wirklich glaubte.
    Ich fand ihn weinend vor. Ich fragte, wer angerufen hatte, doch er wollte es mir nicht sagen. Und da wir nun beide wach waren, Charlie aber nicht, schliefen wir miteinander. Das tat ich manchmal mit Andrew. Eigentlich tat ich es mehr für ihn als für mich. In dieser Phase unserer Ehe war es eine Art Wartungsarbeit geworden, als ließe man die Luft aus den Heizkörpern. Ich wusste nicht - und weiß im Grunde immer noch nicht -, welche furchtbaren Folgen es haben soll, wenn man nicht die Luft aus den Heizkörpern lässt. Eine vorsichtige Frau wird niemals riskieren, es herauszufinden.
    Wir sprachen kein Wort. Ich nahm Andrew mit ins Schlafzimmer, und wir legten uns unter den hohen georgianischen Fenstern mit den gelben Seidenraffrollos aufs Bett. Die Rollos waren mit einem blassen Blättermuster bestickt. Seidene Vögel verbargen sich dort in stiller Furcht. Es war ein strahlender Maimorgen in Kingston-upon-Thames, aber das Sonnenlicht, das durch die Jalousien fiel, war von einem dunklen, intensiven Safrangelb. Es sah fiebrig aus, geradezu malariaverseucht. Die Wände des Schlafzimmers waren gelb und ockerfarben. Andrews Arbeitszimmer auf der anderen Seite des knarrenden Treppenabsatzes war weiß gestrichen - die Farbe unbeschriebener Seiten, nehme ich an. Von dort holte ich ihn nach dem schrecklichen Anruf zurück. Über seine Schulter las ich einige Worte seiner Kolumne. Er war die ganze Nacht auf gewesen, um einen Kommentar zum Nahen Osten zu schreiben, ein Gebiet, das er nie besucht hatte und über das er kein Fachwissen besaß. Es war der Sommer 007, mein Sohn kämpfte gegen den Pinguin und den Papageientaucher, mein Land kämpfte gegen Irak und Iran, und mein Mann prägte die öffentliche Meinung. Es war ein Sommer, in dem niemand sein Kostüm ablegte.
    Ich zog meinen Mann vom Telefon weg. Ich zog ihn am quastenbesetzten Gürtel seines Bademantels ins Schlafzimmer, weil ich irgendwo gelesen hatte, dass so etwas erregend wirkt. Ich zog ihn aufs Bett.
    Ich weiß noch, wie er sich in mir bewegte, wie ein Uhrwerk, dessen Hauptfeder nachlässt. Ich zog sein Gesicht ganz nah an meins und flüsterte: Ob Gott, Andrew, ist alles in Ordnung? Mein Mann antwortete nicht. Er schloss die Augen, um nicht zu weinen, und wir bewegten uns schneller, wobei ein leises, unfreiwilliges Stöhnen aus unseren Mündern drang und in wortloser Verzweiflung ins Stöhnen des anderen floh.
    Mitten in diese kleine Tragödie marschierte mein Sohn, der sich eigentlich besser auf den großen, handfesten Kampf gegen das Böse verstand. Ich machte die Augen auf und sah ihn in der Schlafzimmertür stehen. Er beobachtete uns durch die kleinen, diamantförmigen Löcher seiner Batman-Maske. Nach seinem Gesichtsausdruck zu urteilen - oder dem, was davon zu sehen war -, schien er sich zu fragen, ob eine und, wenn ja, welche der Wunderwaffen, die er an seinem Gürtel trug, in dieser Situation von Nutzen sein könnte.
    Als ich meinen Sohn entdeckte, schob ich Andrew von mir hinunter und zog hastig die Bettdecke über uns. Ich sagte: Ob Gott, Charlie, es tut mir so leid.
    Mein Sohn schaute hinter sich und dann wieder zu mir. »Charlie ist nicht hier. Ich bin Batman.«
    Ich nickte und biss mir auf die Lippe. »Guten Morgen, Batman.«
    »Was machst du da mit Papa, Mama ?«
    »Ahm ...«
    »Tut ihr die Bösen kämpfen?«
    » Kämpft ihr gegen die Bösen, Charlie.«
    »Kämpft ihr?«
    »Ja, Batman. Genau das tun wir.«
    Ich lächelte meinen Sohn an und wartete ab, was Batman sagen würde. Was er sagte, war: »Einer hat in mein Kostüm Kaka macht.«
    »Kaka gemacht, Charlie.«
    »Ja. Ganz viel Kaka.«
    »Oh, Batman. Hast du wirklich in dein Kostüm Kaka gemacht?«
    Batman schüttelte den Kopf. Seine Fledermausohren zitterten. Unterhalb der Maske stahl sich ein listiger Ausdruck in sein Gesicht.
    »Hab nicht Kaka gemacht. Das war der Artie.«
    »Willst du damit sagen, dass Artie der Papageientaucher heute Nacht gekommen ist und in deinen Batman-Anzug Kaka gemacht hat?«
    Batman nickte feierlich. Jetzt merkte ich, dass er die Maske anbehalten, den Anzug jedoch ausgezogen hatte. Er stand nackt da bis auf

Weitere Kostenlose Bücher