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Little Bee

Little Bee

Titel: Little Bee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Cleave
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Papageientauchers. Aber ein ganz gewöhnlicher Anruf von einem mageren afrikanischen Mädchen? Das konnte ich ihm unmöglich erklären.
    Mir wurde klar, dass ich meinem Sohn irgendwann die ganze Geschichte erzählen musste. Ich fragte mich, womit ich beginnen würde. Vor zwei Jahren, im Sommer 005, hatte Andrews langer, allmählicher Abstieg in die Depression angefangen, die ihn schließlich verschlang. Es begann an dem Tag, an dem wir Little Bee an einem einsamen Strand in Nigeria begegneten. Mein einziges Souvenir von dieser ersten Begegnung ist die leere Stelle, an der sich früher der Mittelfinger meiner linken Hand befand. Die Amputation ist ziemlich sauber. Statt meines Fingers findet sich dort nur ein Stumpf, ein Phantomfinger, der auf meinem Laptop früher für die Tasten E, D und C zuständig war. Sie fehlen, wenn ich sie am meisten brauche. Bei »Idee« gehen mir die Ideen aus, und von »Ecstasy« ist bei mir sowieso nie die Rede.
    Am meisten vermisse ich meinen Finger an den Schlusstagen, wenn die Korrekturleserinnen nach Hause gegangen sind und ich die letzten Änderungen für mein Magazin tippe. Einmal veröffentlichten wir einen Leitartikel, in dem ich schrieb, wie motivierend ich den alten Geschlechterkampf fände. Es hagelte aufgebrachte Leserbriefe von neuen Männern, denen das Heft wahrscheinlich zufällig zwischen Geschirrspülen und einer einfühlsamen Rückenmassage bei ihrer Partnerin in die Hände gefallen war. Mir wurde klar, wie demotivierend ich das alles fand. Ich erklärte es mit einem Druckfehler, wobei ich mir den Hinweis verkniff, dass der Druckfehler von einer Stahlmachete an einem nigerianischen Strand verursacht worden war. Ich meine, wie soll man eine Begegnung beschreiben, bei der man ein afrikanisches Mädchen gewinnt und die Buchstaben E, D und C verliert? Ich glaube, eure Sprache hat kein Wort dafür, würde Little Bee sagen.
    Ich saß in meiner Bank, massierte den Fingerstumpf und gestand mir zum ersten Mal ein, dass mein Mann seit dem Tag, an dem wir Little Bee begegneten, dem Tod geweiht gewesen war. In den beiden Jahren danach hatten sich meine Vorahnungen verschlimmert bis hin zu jenem furchtbaren Morgen vor zehn Tagen, als ich vom Klingeln des Telefons erwachte. Mein ganzer Körper kribbelte vor Furcht. Es war ein normaler Arbeitstag. Die Juni-Ausgabe meiner Zeitschrift stand kurz vor der Drucklegung, Andrews Kolumne für die Times war fällig. Ein ganz normaler Morgen, aber mir sträubten sich die Härchen an den Armen.
    Ich habe nie zu den glücklichen Frauen gehört, die glauben, dass Katastrophen aus heiterem Himmel eintreten. Für mich gab es zahllose Vorzeichen, unzählige kleine Brüche in der Normalität. Andrews unrasiertes Kinn, eine zweite Flasche Wein abends unter der Woche, der niedergeschlagene Tonfall seiner Kolumne. Angesichts gewisser Haltungen, die von dieser Gesellschaft eingenommen werden, weiß der Kommentator nicht mehr weiter. Es war der allerletzte Satz, den mein Mann schrieb. In seiner Kolumne ging er mit dem geschriebenen Wort sehr präzise um. Für jemand anderen wäre nicht mehr weiterwissen nur ein Synonym für ratlos sein gewesen. Für meinen Mann hingegen war es ein wohlüberlegter Abschied.
    In der Kirche war es kalt. Ich hörte, wie der Pfarrer sagte: Tod, wo ist dein Stachel? Ich starrte auf die Lilien und roch ihren süßen Vorwurf. Gott, hätte ich Andrew doch nur mehr Aufmerksamkeit geschenkt.
    Wie sollte ich meinem Sohn erklären, dass die Warnzeichen unauffällig waren? Dass die Katastrophe im vollen Bewusstsein ihrer Stärke kaum die Lippen bewegte, um sich anzukündigen? Es heißt, dass die Wolken in der Stunde vor einem Erdbeben bleiern am Himmel hängen, der Wind sich zu einem heißen Atemhauch verlangsamt und die Vögel in den Bäumen des Dorfplatzes verstummen. Gewiss, doch mit ähnlichen Vorzeichen kündigt sich auch die Mittagszeit an. Wir können nicht immer überreagieren, sobald sich der Wind legt, sonst würden wir ständig unter dem Esstisch hocken, statt Teller daraufzustellen.
    Würde mein Sohn akzeptieren, dass es bei seinem Vater so gewesen war? Die Härchen auf meinen Armen sträubten sich, Batman, aber ich musste wie jeden Tag den Haushalt bewältigen. Ich habe nicht begriffen, dass er es tatsächlich tun würde. Im Grunde könnte ich nur sagen, dass ich vom Klingeln des Telefons aufwachte und mein Körper ein Ereignis vorhersagte, das noch nicht eingetreten war und das ich mir nie so schwerwiegend ausgemalt

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