Little Bee
Pfoten bluteten von den Dornen im Dschungel. Die Schwestern schrien auf und liefen an dem Wachmann vorbei. Der Wachmann blieb stehen, hob das Gewehr und feuerte. Der erste Hund schlug einen Purzelbaum im Sand. Sein Ohr war abgeschossen und wohl auch ein Stück von seinem Kopf. Die Hundemeute kam schlitternd zum Stehen und fiel über den gestürzten Hund her. Sie rissen Stücke aus seinem Hals, während seine Hinterbeine noch traten und zuckten. Ich schrie. Der Wachmann zitterte.
Sechs Männer kamen aus dem Dschungel gelaufen. Sie trugen zerrissene Jogginghosen, Westen und Turnschuhe, Goldketten. Sie kamen rasch näher. Sie beachteten die Hunde nicht. Einer hielt einen gespannten Bogen in der Hand. Die anderen schwenkten die Macheten, um den Wachmann zu provozieren. Sie kamen genau auf uns zu.
Es gab einen Anführer. Er hatte eine Wunde am Hals. Sie war brandig - das konnte ich riechen. Ich wusste, er würde bald sterben. Ein anderer Mann trug eine Kette aus Draht, an der getrocknete braune Dinger hingen, die wie Pilze aussahen. Als er Kindness entdeckte, zeigte er auf sie, beschrieb mit den Fingern Kreise um seine Brustwarzen und grinste. Ich versuche, dies so sachlich wie möglich zu berichten.
Der Wachmann sagte: »Gehen Sie weiter, Mister und Missus.«
Doch der Mann mit der Halswunde - der Anführer - erwiderte: »Nein, stehenbleiben.«
»Ich schieße«, sagte der Wachmann.
Doch der Mann entgegnete: »Vielleicht erwischst du einen von uns, vielleicht auch zwei.«
Der Mann mit dem Bogen zielte auf den Hals des Wachmanns und sagte: »Vielleicht auch keinen. Vielleicht hättest du uns erschießen sollen, als wir weit weg waren.«
Der Wachmann hörte auf, rückwärts zu gehen, und auch wir blieben stehen. Little Bee und Kindness traten hinter uns, brachten mich und meinen Mann zwischen sich selbst und die Jäger.
Die Jäger reichten eine Flasche herum, in der ich Wein vermutete. Sie tranken abwechselnd daraus. Der Mann mit Pfeil und Bogen bekam eine Erektion. Ich konnte sie unter der Jogginghose erkennen. Doch sein Gesichtsausdruck veränderte sich nicht, und er ließ den Hals unseres Wachmanns nicht aus den Augen. Er trug ein schwarzes Stirnband. Darauf stand EMPORIO ARMANI. Ich schaute Andrew an. Ich versuchte, ruhig zu sprechen, doch die Worte wurden in meiner Kehle zerdrückt.
»Andrew, bitte gib ihnen alles, was sie wollen.«
Andrew blickte den Mann mit der Halswunde an und fragte: »Was wollen Sie?«
Die Jäger schauten einander an. Der Mann mit der Halswunde trat vor mich hin. Seine Augen blinzelten, verdrehten sich, schnappten zurück und schauten mich irre an, die Pupillen winzig, die Iris hart wie eine Kugel und glänzend wie Kupfer. Sein Mund zuckte von einem Lächeln zu einer Grimasse zu einem grausamen, dünnen Strich und endete in bitterer, belustigter Verachtung. Die Gefühle, die sich in seinem Gesicht spiegelten, wechselten so rasch, als zappte man durch die Programme. Ich konnte seinen Schweiß und die Fäulnis riechen. Er gab ein unfreiwilliges Stöhnen von sich, das ihn selbst zu überraschen schien - er öffnete die Augen weit -, und dann riss er mir das Strandtuch herunter. Er schaute auf den blasslila Stoff in seinen Händen und schien sich zu fragen, wie er dorthin gekommen war. Ich schrie auf und kreuzte die Arme über der Brust. Ich krümmte mich weg von diesem Mann, von seinem Blick - eben noch geduldig, als ermutigte er ein Kind, dem das Lernen schwerfällt; dann wütend; dann voll unheilschwangerer abendlicher Ruhe.
Ich trug einen sehr knappen grünen Bikini. Wenn ich das noch einmal sage, verstehe ich es vielleicht selbst. Weil es in der umkämpften Deltaregion eines afrikanischen Landes, das sich mitten in einem Ölkrieg befand, in dem drei Seiten gegeneinander kämpften, einen Strand gleich neben dem Krieg gab, weil die staatliche Tourismusbehörde jeder im Writers' and Artists' Yearbook aufgeführten Zeitschrift Flugtickets für diesen Strand geschickt hatte, weil der Schnitt in diesem Jahr der letzte Schrei war und ich als Chefredakteurin den ersten Zugriff auf kostenlose Modelle hatte, trug ich einen sehr knappen grünen Bandeau-Bikini von Hermes. Als ich so dastand und die Arme über den Brüsten kreuzte, war ich überzeugt, ich hätte mir damit einen Freifahrtschein ins Jenseits besorgt.
Der verwundete Mann kam mir so nahe, dass ich spürte, wie der Sand unter meinen Füßen einsank. Er fuhr mit den Fingern über meine Schulter, meine nackte Haut und sagte: »Was wir
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