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Little Bee

Little Bee

Titel: Little Bee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Cleave
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aus und nahm die Machete. Am Griff war Blut, das Blut des Wachmanns. Andrew sah mich an. Ich trat neben ihn und legte ihm sanft die Hand auf die Brust. Ich weinte.
    »Oh, Andrew. Ich glaube, du musst es tun.«
    »Ich kann nicht.«
    »Es ist nur ein Finger.«
    »Wir haben nichts Böses getan. Wir sind nur am Strand spazieren gegangen.«
    »Nur ein Finger, Andrew, und dann gehen wir zurück.« Andrew sank im Sand auf die Knie. »Ich kann nicht glauben, dass das wirklich passiert.« Er schaute auf die Klinge der Machete und schabte mit ihr über den Sand, um sie zu reinigen. Er legte die linke Hand mit der Handfläche nach oben in den Sand und krümmte alle Finger außer dem mittleren. Dann hielt er mit der Rechten die Machete in die Höhe, ließ sie aber nicht hinuntersausen. »Woher sollen wir wissen, Sarah, dass er die Mädchen danach nicht trotzdem tötet?«
    »Dann hast du jedenfalls getan, was du konntest.«
    »Ich könnte mir an dieser Klinge Aids holen. Ich könnte sterben.«
    »Ich bin immer bei dir. Ich bin so stolz auf dich.«
    Am Strand war es still. Seevögel schwebten tief am blauen Himmel, ohne die Schwingen zu bewegen, nur getragen von der Meeresbrise. Der Rhythmus der Brandung hatte sich nicht verändert, obwohl der Abstand zwischen einer Welle und der nächsten unendlich schien. Ich wartete mit den Mädchen, den Männern und den blutigen Hunden ab, was mein Ehemann tun würde, und in diesem Augenblick schienen wir alle gleich, nur Geschöpfe der Natur, die ohne Anstrengung auf dem gewaltigen, warmen Wind der Ereignisse trieben, die größer waren als wir.
    Auf einmal schrie Andrew auf und ließ die Machete niedersausen. Die Klinge zischte durch die heiße Luft. Dann schnitt sie in den Sand. Ziemlich weit von seiner Hand entfernt.
    »Ich mach das nicht«, sagte er. »So eine verdammte Scheiße. Ich glaube nicht, dass er die Mädchen gehen lässt. Sieh ihn dir doch an. Er bringt sie so oder so um.«
    Andrew stand auf und ließ die Machete im Sand liegen. Ich schaute ihn an, und da hörte ich auf, etwas zu fühlen. Ich begriff, dass ich keine Angst mehr hatte. Und nicht wütend auf Andrew war. Als ich ihn anschaute, sah ich kaum noch einen Mann. Ich dachte, wir würden nun alle umgebracht, und das kümmerte mich sehr viel weniger als erwartet. Mich störte nur, dass wir das Treibhaus hinten im Garten nicht gebaut hatten. Dann kam mir ein vernünftiger Gedanke: Wie gut, dass ich zwei gesunde Eltern habe, die sich um Charlie kümmern können.
    Der Mörder seufzte achselzuckend und sagte: »Okay, Mister hat entschieden. Jetzt, Mister, rennen Sie zurück nach England. Sie können erzählen, Sie waren in Afrika und haben einen echten Wilden getroffen.«
    Als sich der Mörder abwandte, fiel ich auf die Knie. Ich schaute Little Bee unverwandt an. Sie sah, was der Mörder nicht sah. Sie sah, wie die weiße Frau die linke Hand auf den festgebackenen Sand legte, nach der Machete griff und sich mit einem kleinen Schlag den Mittelfinger abtrennte, wie ein Mädchen, das an einem stillen Samstag in Surrey zwischen Reiterfest und Mittagessen eine Möhre schneidet. Sie sah, wie sie die Machete fallenließ und sich auf den Fersen zurücklehnte und ihre Hand hielt. Ich nehme an, die weiße Frau sah einfach nur verblüfft aus.
    Ich glaube, ich sagte: »Oh, oh, oh, oh.«
    Der Mörder fuhr herum und sah das Blut durch meine geschlossene Faust quellen. Vor mir im Sand lag mein Finger. Der Finger sah lächerlich und nackt aus. Ich schämte mich für ihn. Die Augen des Mörders wurden ganz groß.
    »Oh, Scheiße, verdammte Scheiße«, sagte Andrew. »Scheiße, was hast du getan, Sarah? Was zum Teufel hast du getan?«
    Er kniete sich hin und drückte mich an sich, doch ich stieß ihn mit der unversehrten Hand weg. Schleim quoll mir aus Mund und Nase.
    »Es tut weh, Andrew. Es tut weh, du Arsch.«
    Der Mörder nickte. Er bückte sich und hob meinen toten Finger auf. Dann deutete er damit auf Little Bee.
    »Du wirst leben«, sagte er. »Die Missus hat für dein Leben bezahlt.«
    Dann richtete er meinen Finger auf Kindness.
    »Du aber wirst sterben, Kleine. Der Mister wollte nicht für dich bezahlen. Und meine Jungs, die brauchen eben ein bisschen Blut.«
    Kindness umklammerte Little Bees Hand. Mit hoch erhobenem Kopf sagte sie: »Ich habe keine Angst. Der Herr ist mein Hirte.«
    Der Mörder seufzte. »Dann ist er ein dummer und nachlässiger Hirte.«
    Da hörte ich - lauter als die Brandung - meinen Mann schluchzen.
    Zwei Jahre

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