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Little Bee

Little Bee

Titel: Little Bee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Cleave
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respektiere Sie dafür, dass Sie kein Geld annehmen. Aber mein Chefredakteur sagt mir einundfünfzig Wochen im Jahr, was am besten für mich ist. Ich bin nicht hergekommen, um mir auch noch den Urlaub zensieren zu lassen.«
    Der Wachmann hob den Lauf der Waffe. Er feuerte dreimal in die Luft, knapp über den Kopf des weißen Mannes. Das Hundegebell und die Rufe der Männer verstummten kurz. Dann ertönten sie umso lauter.
    Das weiße Paar stand ganz still da. Mit offenem Mund. Vermutlich waren sie betroffen wegen der Kugeln, die sie verfehlt hatten.
    »Bitte, Mister und Missus«, sagte der Wachmann. »Gibt Problem hier. Sie kennen nicht mein Land.«
    Die Schwestern hörten das Zischen der Macheten, die sich einen Weg freischlugen. Kindness ergriff Little Bees Hand und zog sie auf die Füße. Die beiden Schwestern traten aus der Deckung des Dschungels auf den Sand. Hand in Hand standen sie da und schauten voller Hoffnung und Erwartung den weißen Mann und die weiße Frau an - Andrew und mich. Es war ein Entwicklungsland, ihnen blieb nichts anderes übrig.
    Sie standen auf dem Sand, klammerten sich aneinander fest, hielten sich mühsam aufrecht. Kindness reckte den Hals und hielt Ausschau nach den Hunden, doch Little Bee sah mich unverwandt an. Sie ignorierte Andrew, sie ignorierte den Wachmann.
    »Bitte, Missus«, sagte sie, »nehmen Sie uns mit aufs Hotelgelände.«
    Der Wachmann blickte von ihr zum Dschungel. Dann schüttelte er den Kopf.
    »Hotelgelände nur für Touristen. Nicht für euch.«
    »Bitte«, sagte Little Bee und sah mir in die Augen. »Böse Männer jagen uns. Sie werden uns töten.«
    Sie sprach zu mir als Frau, in dem Wissen, dass ich sie verstehen würde. Aber ich verstand sie nicht. Drei Tage zuvor, bevor wir nach Heathrow fuhren, hatte ich auf einer nackten Betonplatte im Garten gestanden und Andrew gefragt, wann genau er sein verdammtes Treibhaus dort bauen wolle. Das war das größte Problem in meinem Leben - das Treibhaus beziehungsweise dessen Nichtvorhandensein. Das fehlende Treibhaus und alle anderen vergangenen und künftigen Bauten, die helfen konnten, die viel größere emotionale Lücke zwischen mir und meinem Ehemann zu beheben. Ich war eine moderne Frau und kannte Enttäuschung besser als Angst. Die Jäger wollten sie töten? Mein Magen verkrampfte sich, doch mein Kopf beharrte noch darauf, dass es sich bloß um eine Redensart handelte.
    »Du lieber Himmel«, sagte ich. »Du bist doch noch ein Kind. Warum sollte dich jemand töten wollen?«
    Little Bee schaute wieder zu mir und sagte: »Weil wir gesehen haben, wie sie alle anderen töteten.«
    Ich wollte den Mund aufmachen, doch Andrew kam mir zuvor. Ich glaube, er litt unter dem gleichen intellektuellen Jetlag. Als wären unsere Herzen am Strand angekommen, während unser Verstand mehrere Stunden hinterherhinkte. Andrews Augen waren schreckenerfüllt, aber er sagte: »Das ist doch völliger Unsinn. Ein typischer nigerianischer Trick. Komm, wir gehen zurück zum Hotel.«
    Andrew zog mich mit sich den Strand entlang. Ich gab nach, drehte aber den Kopf nach hinten zu den Schwestern. Der Wachmann folgte uns. Er ging rückwärts und zielte dabei mit der Waffe auf den Dschungel. Little Bee und Kindness folgten in zehn Metern Abstand.
    »Hört auf, uns nachzulaufen«, sagte der Wachmann.
    Er richtete sein Gewehr auf die Schwestern. Sie sahen ihn an. Der Wachmann war ein bisschen älter als die Mädchen, vielleicht sechzehn oder siebzehn, und trug einen dünnen Schnurrbart. Ich vermute, er war stolz, dass ihm einer wuchs. Er hatte ein grünes Barett, unter dem Schweiß hervorsickerte. Ich sah die Adern an seinen Schläfen. Seine Augäpfel waren gelb.
    Little Bee fragte: »Wie ist dein Name, Soldat?«
    Und er sagte: »Mein Name ist >Ich erschieße euch, wenn ihr uns weiter nachlauft<.«
    Little Bee zuckte die Achseln und klopfte sich an die Brust. »Mein Name ist Little Bee. Hier ist mein Herz. Schieß hierhin, wenn du willst.«
    Und Kindness sagte: »Kugel ist okay. Kugel ist schnell.«
    Sie folgten uns weiter den Strand entlang. Der Wachmann riss die Augen auf. »Wer jagt euch denn, Mädchen?«
    »Die Männer, die unser Dorf niedergebrannt haben. Die Männer von der Ölfirma.«
    Das Gewehr in seiner Hand begann zu zittern. »Jesuschristus. «
    Die Schreie der Männer und das Hundegebell waren jetzt sehr laut. Ich konnte die Brandung nicht mehr hören.
    Fünf braune Hunde rannten aus dem Dschungel. Sie bellten wie wahnsinnig. Ihre Flanken und

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