Little Bee
wollen ? Wir wollen ... unser Englisch ... verbessern.«
Die Jäger brachen in Gelächter aus. Wieder machte die Flasche die Runde. Als einer von ihnen sie zum Mund hob, sah ich einen Moment lang etwas mit einer Pupille herausschauen. Es wurde gegen das Glas gedrückt. Dann setzte der Mann die Flasche ab, und das Ding verschwand in der Flüssigkeit. Ich sage Flüssigkeit, weil ich nicht mehr glaubte, dass es sich um Wein handelte.
Andrew sagte: »Wir haben Geld und können nachher noch mehr holen.«
Der verletzte Mann kicherte und gab ein Grunzen von sich wie ein Schwein, worauf er noch mehr kichern musste. Dann wurde sein Gesicht plötzlich vollkommen ernst. Er sagte: »Geben Sie mir, was Sie jetzt haben. Ein Nachher gibt es nicht.«
Andrew zog die Brieftasche hervor. Er gab sie dem verwundeten Mann. Dieser nahm sie - seine Hand zitterte dabei -, zog die Geldscheine heraus und warf die Brieftasche in den Sand. Er reichte das Geld nach hinten zu den Männern, ohne hinzuschauen oder es zu zählen. Er atmete sehr schwer, Schweiß lief ihm übers Gesicht. Die Wunde am Hals klaffte weit. Sie war grün-blau. Sie sah obszön aus.
Ich sagte: »Sie brauchen medizinische Hilfe. Die könnten wir Ihnen im Hotel besorgen.«
Der Mann sagte: »Medizin repariert nicht, was die Mädchen gesehen haben. Die Mädchen müssen bezahlen, weil sie das gesehen haben. Geben Sie mir die Mädchen.«
»Nein.«
Der verwundete Mann sah mich verblüfft an. »Was sagen Sie?«
»Ich sagte nein. Die Mädchen kommen mit uns aufs Hotelgelände. Wenn Sie sie aufhalten wollen, wird unser Wachmann Sie erschießen.«
Der verwundete Mann riss die Augen in gespielter Furcht auf. Er legte die Hände auf den Kopf und drehte sich zweimal schlurfend um sich selbst. Als er mich wieder anschaute, grinste er. »Woher sind Sie, Missus?«
»Wir leben in Kingston«, sagte ich.
Der Mann legte den Kopf schief und betrachtete mich interessiert.
»Kingston-upon-Thames«, sagte ich. »Das ist in London.«
Der Mann nickte. »Ich weiß, wo Kingston ist. Ich habe da Maschinenbau studiert.«
Er schaute auf den Sand hinunter. Stand einen Moment schweigend da. Dann bewegte er sich, und zwar sehr schnell. Die Machete schoss hoch, die Klinge blitzte in der aufgehenden Sonne, ich bemerkte ein winziges Zucken - für mehr blieb dem Wachmann keine Zeit. Die Klinge drang in seine Kehle und klang. Sie klang wie eine Glocke, als sie auf die Halswirbelsäule traf. Das Metall klang noch, als der Mann sie herausriss und der Wachmann in den Sand fiel. Ich erinnere mich genau an den Klang, es war, als sei die Machete eine Glocke und das Leben des Wachmanns der Klöppel.
Der Mörder sagte: »Haben Sie so ein Geräusch schon mal in Kingston-upon-Thames gehört?«
Es war mehr Blut, als ein magerer afrikanischer Junge in sich haben konnte. Es hörte einfach nicht auf. Der Wachmann lag da, Sand auf den Augäpfeln, mit klaffender Kehle, als wäre sie mit einem Scharnier weit geöffnet worden. Sie sah aus wie ein Mund. Eine ganz ruhige Mittelschichtstimme in meinem Kopf sagte: Pac-Man. Pac-Man. Meine Güte, er sieht aus wie Pac-Man. Wir standen schweigend da, während der Wachmann verblutete. Es dauerte ewig. Ich weiß noch, dass ich dachte, Gott sei Dank haben wir Charlie bei meinen Eltern gelassen.
Als ich den Kopf hob, beobachtete mich der Mörder. Sein Gesichtsausdruck war nicht bösartig. Ich kannte diesen Blick von Kassiererinnen, wenn ich meine Bonuskarte vergessen hatte. Ich kannte diesen Blick von Lawrence, wenn ich meine Periode hatte. Der Mörder betrachtete mich mit mildem Ärger, mehr nicht.
»Dieser Wachmann ist wegen Ihnen gestorben«, sagte er.
Damals muss ich noch etwas gefühlt haben, denn mir liefen Tränen übers Gesicht.
»Sie sind wahnsinnig«, sagte ich.
Der Mörder schüttelte den Kopf. Er legte die Hände um den Griff der Machete und hielt sie so, dass die Spitze auf einer Höhe mit meiner Kehle war. Er schaute kummervoll an der vibrierenden Achse der Klinge entlang.
»Ich lebe hier«, sagte er. »Sie sind wahnsinnig, herzukommen.«
Da fing ich an zu weinen, vor lauter Angst. Andrew zitterte. Kindness begann, in ihrer Stammessprache zu beten.
»Ekenem-i Maria«, sagte sie. »Gratia ju-i obi Dinweni nonyel-i, I nwe ngozi kali ikporo nine na gnozi dili nwa afo-i bu Jesu.«
Der Mörder schaute zu Kindness und sagte: »Du stirbst als Nächste.«
Kindness erwiderte seinen Blick. »Nso Maria Nne Ciuku«, betete sie, »yo nyel'anyi bu ndi njo, kita,
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