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Little Brother

Little Brother

Titel: Little Brother Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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an. "Was für eine Vergeudung. Und wozu war das Ganze jetzt gut?"
    Sie hätte nichts sagen können, das mich mehr verletzt hätte. Dieser Satz war wie ein weiterer Tritt in den Unterleib. Was für eine Vergeudung das alles, völlig vergebens. Darryl und Ange waren verschwunden. Meine Familie würde ich vielleicht nie wieder sehen. Und immer noch hielt der Heimatschutz meine Stadt und mein Land in einem gewaltigen, irrationalen Klammergriff gefangen, wo im Namen der Terrorabwehr ausnahmslos alles erlaubt war.
    Van sah aus, als erwarte sie eine Antwort von mir, aber dazu hatte ich nichts mehr zu sagen. Sie ließ mich dort stehen.
    [x]
    Zeb hatte eine Pizza für mich, als ich "heim" kam - zu dem Zelt, das er für die Nacht unter einer Freeway-Überführung in der Mission aufgestellt hatte. Es war eine Dackelgarage aus Militärbeständen, bedruckt mit SAN FRANCISCO ÖRTLICHE OBDACHLOSEN-KOORDINATION.
    Die Pizza war von Domino's, kalt und labberig, aber nichtsdestotrotz lecker. "Magst du Ananas auf deiner Pizza?"
    Zeb lächelte herablassend. "Freeganer dürfen nicht wählerisch sein", sagte er.
    "Freeganer?"
    "Wie Veganer, aber wir essen nur Gratisspeisen."
    "Gratisspeisen?"
    Er grinste wieder. "Du weißt schon - Gratisspeisen. Aus dem Gratisspeisenladen."
    "Du hast das Zeug geklaut?"
    "Nein, Blödmann. Es ist aus dem anderen Laden. Aus dem kleinen hinter dem Laden. Dem aus blauem Stahl, mit dem merkwürdigen Geruch."
    "Du hast das hier aus dem Müll?"
    Er warf seinen Kopf zurück und gickelte. "Na klar doch. Dein Gesicht müsstest du sehen. Alter, es ist okay. Es ist ja nicht so, dass das Zeug vergammelt wäre. Es war frisch - bloß eine versaute Bestellung. Die haben sie in der Schachtel weggeworfen. Nach Ladenschluss streuen sie Rattengift überall drüber, aber wenn du rechtzeitig kommst, bist du okay. Du solltest mal sehen, was Obst- und Gemüseläden so wegwerfen! Warte bis zum Frühstück. Ich mach dir einen Obstsalat, das glaubst du nicht. Sobald auch nur eine Erdbeere in der Kiste ein bisschen grün oder matschig wird, kommt alles weg..."
    Ich brachte ihn zum Schweigen. Die Pizza war okay. Es war ja nicht so, dass sie von dem kurzen Aufenthalt in der Mülle irgendwie infiziert worden wäre. Wenn daran etwas eklig war, dann der Umstand, dass sie von Domino's kam - der grässlichsten Pizzakette der Stadt. Ich hatte ihr Essen noch nie sehr gemocht, und als ich erfahren hatte, dass sie eine Gruppe ultrabescheuerter Politiker finanzierten, die daran glaubten, dass globale Erwärmung und Evolution satanische Tricks waren, hatte ichs ganz aufgegeben.
    Das Gefühl von Ekel war dennoch nicht so leicht zu unterdrücken.
    Aber die Sache hatte noch einen ganz anderen Aspekt. Zeb hatte mir ein Geheimnis offenbart, etwas, worauf ich nicht vorbereitet gewesen war: Da draußen existierte eine ganze versteckte Welt, eine Art, irgendwie durchzukommen, ohne ein Teil des Systems zu werden.
    "Freeganer, ja?"
    "Jogurt brauchen wir auch", sagte er und nickte nachdrücklich. "Für den Obstsalat. Den werfen sie am Tag nach dem Mindesthaltbarkeitsdatum gleich weg, aber der wird ja nicht um Mitternacht sofort grün. Hey, es ist Jogurt, ich mein, das ist doch sowieso schon vergammelte Milch."
    Ich schluckte. Die Pizza schmeckte komisch. Rattengift. Abgelaufener Jogurt. Matschige Erdbeeren. Daran würde ich mich erst mal gewöhnen müssen.
    Ich biss noch mal ab. Wenn man sie für lau bekam, war Domino's Pizza ein bisschen weniger scheußlich.
    Liams Schlafsack war warm und einladend nach diesem langen, emotional aufreibenden Tag. Van dürfte Barbara mittlerweile kontaktiert haben. Sie würde das Video und das Foto haben. Ich würde sie am nächsten Morgen anrufen und in Erfahrung bringen, was sie als nächste Aktion für angebracht hielt. Sobald sie veröffentlichte, würde ich noch mal reinkommen müssen, um die Geschichte zu untermauern.
    Darüber dachte ich nach, als ich meine Augen schloss; ich dachte daran, wie es wohl sein würde, mich selbst zu stellen, vor laufenden Kameras, die dem berüchtigten M1k3y in eines jener großen, säulengeschmückten Gebäude am Civic Center folgten.
    Der Lärm der über mir vorbeisausenden Autos verwandelte sich in ein Ozeanrauschen, als ich wegdämmerte. In der Nähe standen noch andere Zelte von Obdachlosen. Ein paar von ihnen hatte ich an diesem Nachmittag getroffen, bevor es dunkel wurde und wir uns alle zu unseren eigenen Zelten zurückzogen. Sie waren alle älter als ich und sahen grob und derb

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