Little Brother
den Fingern auf der Tastatur, um ein paar Prüfungen laufen zu lassen und die Dinge zu sortieren.
Aber ich konnte es nicht.
Verdammt, vielleicht war mein ganzes Zimmer verwanzt. Vielleicht spähte mich grade eine Kamera aus.
Als ich heimkam, hatte ich mich schon paranoid gefühlt. Aber jetzt war ich völlig neben der Spur. Ich fühlte mich so, als ob ich wieder im Knast wäre, wieder im Befragungszimmer, verfolgt von Mächten, die mich vollständig unter Kontrolle hatten. Fast fing ich wieder an zu weinen.
Nur noch dieses eine.
Ich ging ins Badezimmer, nahm die Klopapierrolle raus und setzte eine neue ein. Zum Glück war die alte sowieso fast leer. Ich rollte den Rest Papier ab und kramte in meiner Teilekiste, bis ich den kleinen Plastikumschlag mit den ultrahellen weißen LEDs gefunden hatte, die ich aus einer kaputten Fahrradleuchte ausgebaut hatte. Vorsichtig drückte ich ihre Anschlüsse durch die Plastikröhre, nachdem ich mit einer Nadel passende Löcher gemacht hatte; dann holte ich Draht und schaltete sie alle mit kleinen Metallklammern in Reihe. Die Kabelenden bog ich passend zurecht und schloss sie an eine 9-Volt-Batterie an. Jetzt hatte ich eine Röhre mit einem Ringlicht aus ultrahellen, gerichteten LEDs, die ich vors Auge halten und durchschauen konnte.
So eine hatte ich letztes Jahr als Projektbeitrag zur Wissenschafts-Messe gebaut, und man hatte mich aus der Ausstellung geworfen, nachdem ich gezeigt hatte, dass in der Hälfte aller Klassenzimmer in Chavez High versteckte Kameras installiert waren. Stecknadelkopfgroße Videokameras kosten heutzutage weniger als ein gutes Abendessen im Restaurant, deshalb tauchen sie an allen Ecken und Enden auf.
Tückische Ladenangestellte installieren das Zeug in Umkleidekabinen oder Sonnenstudios und werden spitz von dem Zeug, das ihnen da von den Kunden präsentiert wird; manchmal laden sies auch bloß ins Internet hoch. Zu wissen, wie man aus einer Klopapierrolle und Kleinteilen für drei Dollar einen Kameradetektor baut, ist einfach nur vernünftig.
Das ist die einfachste Methode, eine Schnüffelkamera zu erwischen. Die haben zwar winzige Objektive, reflektieren aber trotzdem wie Sau. Am besten funktioniert das in einem abgedunkelten Zimmer: Guck durch die Röhre und such langsam die Wände ab und all die anderen Orte, wo jemand eine Kamera versteckt haben könnte, bis du den Hauch einer Reflexion siehst. Wenn die Reflexion da bleibt, wenn du dich bewegst, ist es ein Objektiv.
In meinem Zimmer war keine Kamera - zumindest keine, die ich erkennen konnte. Audio-Wanzen hätten natürlich trotzdem da sein können. Oder bessere Kameras. Oder gar nichts. Kann ich was dafür, dass ich Paranoia entwickelte?
Ich mochte diesen Laptop gern. Ich nannte ihn "Salmagundi", was soviel heißt wie "etwas aus Ersatzteilen Zusammengebautes".
Wenn man erst mal damit anfängt, seinem Laptop einen Namen zu geben, ist klar, dass man eine enge Beziehung zu dem Teil hat. Aber jetzt hatte ich das Gefühl, ich würde ihn nie wieder berühren mögen. Ich wollte ihn aus dem Fenster werfen. Wer weiß, was die damit gemacht hatten? Wer weiß, wie der angezapft war?
Ich klappte ihn zu, steckte ihn in eine Schublade und starrte an die Decke. Es war spät, und ich sollte schlafen. Aber jetzt konnte ich schon mal gar nicht schlafen. Ich war verwanzt. Jeder konnte verwanzt sein. Die Welt war für immer eine andere geworden.
"Irgendwie krieg ich die", sagte ich. Das war ein Schwur, ich wusste es, als ich es hörte, obwohl ich nie zuvor einen Schwur geleistet hatte.
Jetzt konnte ich nicht mehr schlafen. Und außerdem hatte ich eine Idee.
Irgendwo im Schrank hatte ich noch einen eingeschweißten Karton mit einer unberührten, originalverpackten Xbox Universal. Jede Xbox war deutlich unter Herstellungspreis verkauft worden - Microsoft macht das meiste Geld damit, Lizenzgebühren von Spielefirmen zu nehmen, die Xbox-Spiele vertreiben wollen -, aber die Universal war die erste Xbox, die Microsoft völlig gratis unters Volk brachte.
Letzten Advent standen an jeder Ecke arme Loser, verkleidet als Krieger aus der Halo-Serie, und hauten Taschen mit diesen Spielkonsolen raus, so schnell sie konnten. Scheint funktioniert zu haben - jeder sagt, sie hätten einen Riesenberg Spiele verkauft. Natürlich gabs Sicherheitsvorkehrungen, damit du damit wirklich nur Spiele von Firmen spielen konntest, die dafür Lizenzen von Microsoft erworben hatten.
Hacker gehen durch solche Sperren glatt durch. Die
Weitere Kostenlose Bücher