Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Facebook, Twitter, E-M ail und so weiter aktivieren und hätten eine Möglichkeit, mit einem Klick eine Nachricht an jeden zu schicken, der als neuer Unterstützer infrage kommt. Dazu ein paar Auswahlfelder mit Themen, die für den Betreffenden von Interesse sein könnten, mit einem knappen Slogan, wie du zu den Themen stehst. Jeder neue Unterstützer wird gebeten, dasselbe mit seinen Kontaktlisten zu machen. Dann gleichen wir alle Unterstützer mit der Liste der bereits existierenden Spender ab und schauen, ob die irgendeine Verbindung zu den neuen Unterstützern haben, die wir dazu nutzen können, die Neuen um Spenden zu bitten. Genauso machen wir’s mit bereits registrierten und potenziellen Wählern. Wir benutzen aber nicht bloß immer denselben Slogan. Wir nehmen unsere besten Argumente, variieren sie und schauen, welche am meisten Rücklauf haben. Ein einfacher A/ B-T est: Was kommt besser an? Diese Stellungnahme oder jene? Bei genügend Feedback könnten wir unsere Slogans mehrmals am Tag ändern. Während des ganzen Wahlkampfs. Es ist wie eine Umfrage – bloß schneller. Und jeder, der einen Freund rekrutiert, bekommt Punkte, und wer die Rangliste in der jeweiligen Woche anführt, den laden wir immer zu einer großen Bier-und-Pizza-Party in unser Hauptquartier ein. So wird das Ganze ein Spiel, ein Wettbewerb.«
Ich holte kurz Luft. »Wenn wir wissen, wo unsere Wähler sind, können wir mit Kartensoftware auch die optimalen Orte für unsere Events bestimmen. Doch statt nüchterner Reden voll belangloser Wörter machen wir mehr was wie Stand-up-Comedy oder die Daily Show: witzige, kleine Schnipsel, die perfekt in die Abendnachrichten oder einen Zeitungsartikel passen. Die Presse wird schnell drauf anspringen. Und weil es so witzig und jedes Mal ein wenig anders ist, ziehen wir auch die Menschen an – das werden richtige Events.«
Joe machte große Augen. »Und das kriegst du hin?«
Ich zuckte die Achseln. »Wahrscheinlich schon. Ich meine, eigentlich ist es nicht groß anders als die übliche Freeware für irgendwelche Kampagnen. Bisher hat das aber, glaube ich, noch niemand bei Wahlen gemacht. Ich könnte mal was aufsetzen.«
»Wenn du das kannst, könnten meine Gegner das aber auch, oder?«
»Ich sehe nichts, was dagegen spräche. Ein Grund mehr, dass wir damit als Erste anfangen.«
Er lachte.
»Ich hätte aber auch eine Idee, was du in Sachen Internet deinen Gegner voraushaben könntest.«
»Nämlich?«
Wieder wunderte es mich, dass er nicht etwa sagte: »Kann das nicht bis morgen warten?« Doch er war Joe – er war der Kandidat. Freie Tage kannte er nicht. Er war hier, mit einem seiner Mitarbeiter, und das hieß, dass er praktisch bei der Arbeit war.
»Du hast doch sicher von den Darknet-Docs gehört.« Es kostete mich all meine Kraft, mich nicht verängstigt umzusehen.
»Ja, hab ich.« Sein Gesicht verriet nicht, was er dachte, sondern zeigte die gleiche Maske des interessierten Zuhörers wie zuvor.
»Aktuell ist es recht schwierig, an sie ranzukommen. Dazu muss man sich ein wenig mit Tor auskennen, diesem Anonymisierungsdienst, und der ist ziemlich kompliziert. Der Vorteil daran ist, dass die Dokumente dadurch auch sehr schwer zu entfernen oder überhaupt zu lokalisieren sind. Der Nachteil ist, dass viele Menschen mit der Technik nicht zurechtkommen und sie die Dokumente deshalb auch nicht lesen können. Einfach, weil niemand die Dokumenteals ganz normale, langweilige Internetsite bereitstellt, die jeder mit einem Webbrowser lesen und verlinken kann.«
»Stimmt«, sagte er. »Genau das ist der Haken. Der Hauptgrund, weshalb ich sie mir noch nicht angeschaut habe, ist, dass es einfach zu kompliziert klang, wenn man nicht gerade ein Technik-Ninja ist.«
Mir lag schon etwas wie So schwer ist es jetzt auch wieder nicht auf der Zunge, doch ich wollte Joe jetzt keine Einführung in Tor geben. Darauf kam es auch nicht an, und davon abgesehen: Wenn Joe das Gefühl hatte, dass es zu kompliziert war, dann musste ich das auch anerkennen.
»Also ich habe die Dokumente gesehen, und soweit ich das beurteilen kann, sind sie voller Beweise für die Korruption, die Verbrechen und den Filz der großen Parteien und ihrer Geschäftspartner. Deshalb dachte ich mir, wenn du die Leute davon überzeugen willst, für einen unabhängigen Kandidaten zu stimmen, wäre es doch hilfreich, wenn sie wüssten, dass ihre Stimme nicht einfach verschwendet ist – weil nämlich jede andere Wahl bloß denselben
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