Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
freien Tag schon seinem Boss begegnen!« Er schaute sich um. »Na, ist schon ’ne irre Sache hier, nicht?«
»Es ist der Hammer.« Dann fragte ich mich, ob er so was überhaupt guthieß und ich vielleicht das Falsche gesagt hatte. »Ich meine, ist echt unglaublich, oder?«
»Marcus, noch nie im Leben hab ich so was gesehen. Wenn es je eine Zeit für unabhängige Kandidaten gegeben hat, dann jetzt. Diese Leute haben schlicht und einfach genug davon, was die Regierung treibt. Genau wie ich – und da sind wir nun, alle zusammen.«
»Hört, hört!«, meinte Lemmy, und Joe schenkte ihm sein Tausendwattlächeln.
»Hallo«, sagte er. »Ich bin Joseph Noss.«
»Ja, weiß ich! Ich bin Lemmy.«
»Lemmy ist ein Freund von mir. Aus dem Hackerspace Noisebridge.«
Joe schüttelte ihm die Hand. »Freut mich wirklich. Marcus hat mir schon viel darüber erzählt. Es klingt, na ja, außergewöhnlich. Als wärt ihr so was wie geniale Tüftler. Wenn es stimmt, was er sagt, könnt ihr ja so ziemlich alles bauen, was ihr euch in den Kopf gesetzt habt.«
Lemmy nickte nachdrücklich. »Meistens, ja. Und wenn nicht, wird uns schon irgendwer von einem anderen Maker- oder Hackerspace helfen. Jeden Freitagabend haben wir Schnupperstunde – wie wär’s?«
»Ich würde mir das wirklich gern einmal anschauen, aber vielleicht warte ich damit besser bis nach der Wahl. Bis dahin bin ich leider sehr beschäftigt.« Er ließ wieder den Blick über die Menge schweifen. »Wirklich unglaublich. All diese Menschen.«
»Von oben sieht man noch mehr«, sagte Lemmy und zeigte ihm sein Handy.
»Ist das aus den Nachrichten?«
Lemmy lachte. »Klar, HNN , Hackerspace News Network. Das kommt von ein paar unbemannten Quadrocoptern, die ich gebaut habe. Da oben.« Er zeigte zum Himmel. Joe blickte erst hoch und dann zu Lemmy hinüber.
»Du machst doch Scherze, oder? Du steuerst Helikopter per Fernbedienung?«
»Das sind ja keine richtigen Helikopter. Nein, die wiegen nur ein paar Pfund und sind nicht größer als große Teller. Kleine Teile, nichts Besonderes. Stecken Einzelteile im Wert von etwa fünfzig Dollar drin. Das Teuerste daran sind die Batterien, und die habe ich aus gebrauchten Handys zusammengebaut.«
Joe stemmte die Hände in die Hüften und legte den Kopf schief, als überlegte er noch, ob Lemmy ihn nicht auf den Arm nahm. Dann schüttelte er bewundernd den Kopf. »Unglaublich«, sagte er. »Einfach unglaublich.«
»Magst du mal einen steuern?«, fragte Lemmy und tippte auf den Schirm. »Den Feed von dem hier schauen fünfzehntausend Menschen. Viel Spaß! Einfach mit dem Tastenfeld.«
Joe schaute das Handy in seiner Hand an, als wäre es radioaktiv. »Ich werd es wohl kaum schaffen, ein solches Fluggerät zu lenken.«
»Du sollst es ja auch gar nicht lenken, das schafft es schon selbst . Das Einzige, was du ihm vorgibst, ist die Richtung.«
Ich dachte schon, Joe würde kneifen, doch dann tippte er erst vorsichtig, dann bestimmter auf das Display. »Erstaunlich«, sagte er nach einer Weile. »Ganz … erstaunlich. Warum blinkt es hier rot?«
Lemmy warf einen Blick darauf. »Die Batterie ist bald alle. Holen wir die Jungs lieber zum Batteriewechsel heim. Keine Sorge, ich hab massig Ersatz dabei.«
Lemmy übernahm die Kontrolle und vertiefte sich in sein Handy. Es war, als verschwände er im Kaninchenbau Richtung Wunderland, während seine Finger über die Tasten tanzten. Der typische Nerd – man meinte fast, einen Hinweis »beschäftigt, nicht stören« über ihm blinken zu sehen.
Ich wollte Joe etwas sagen, doch ich hatte Angst. Mein Mund war ausgedörrt, aber meine Hände waren nass vor Schweiß. Trotz der lauten Menge ringsum konnte ich meinen Herzschlag hören.
»Joe.« Mir war, als ob seine Augen direkt in meine Seele blickten.
»Ja, Marcus?« Seine ganze Haltung wurde zu der des aufmerksamen Zuhörers. Das war der Zaubertrick eines Politikers, der ihn vom Rest von uns unterschied. Insgeheim fragte ich mich, ob er sich dessen überhaupt bewusst war, auf jeden Fall aber wirkte es beruhigend auf mich. Schon seltsam, wie Menschen so ticken.
»Ich glaube, ich hätte da eine Idee für dich. Sie ist aber vielleicht etwas, na ja, ambitioniert.«
»Ambitioniert ist doch gut. So was mag ich.«
»Ich habe mich gefragt, wie es wäre, wenn wir deinen Unterstützern eine Werbemaschine zur Rekrutierung von weiteren Unterstützern an die Hand gäben? Eine kleine App für ihre Rechner. Damit könnten sie ihre Kontaktlisten auf
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