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Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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Ich erinnerte mich noch gut an ihre Warnung, den Wahlkampf in keine Richtung zu ziehen, die irgendwie »leet« war, und wahrscheinlich war sie jetzt schon wütend auf mich. Ich hatte aber nicht in Betracht gezogen, was für einen Unterschied es machte, wenn die Idee von Joe persönlich kam. Sie mochten über so was geteilter Meinung sein, aber sobald er einen Streit für sich entschieden hatte, stand Flor zu hundert Prozent hinter ihm. Wie die meisten von uns wäre sie für ihn durchs Feuer gegangen. Und nachdem ich ihr schließlich erklärt hatte, wieso sie jetzt mit unserer Kreditkarte zum nächsten Schnapsladen musste, um irgendeinem Typen, von dem ich nicht mal wusste, wo er wohnte, via Western Union Geld zu schicken, willigte sie ein.
    »Lass mich nur erst kurz mit ihm reden«, sagte sie. Einen Moment lang reagierte ich ungeduldig, weil es mir so vorkam, als wollten meine Eltern meine Hausaufgaben kontrollieren. Schließlich fiel es ja in meine Zuständigkeit, einen bombensicheren Webhoster zu finden. Doch dann bekam sie den Typen tatsächlich ans Telefon, schrieb ihm ein paar schnelle IM s und handelte einen besseren Deal mit ihm aus, als ich das geschafft hätte, inklusive einer längeren Zahlungsfrist und einer rund um die Uhr erreichbaren Handynummer für Support.
    »Klingt nach einer guten Wahl«, sagte sie, schnappte sich Jacke und Geldbeutel und marschierte nach draußen, die nächste Western-Union-Filiale suchen.
    Am späten Nachmittag, als ich gerade den Wechsel zu unserem neuen Host vollzog, kam Joe zurück. Für den Fall der Fälle hatte ich noch zwei Back-up-Clouds für uns klargemacht, eine davon in einem zentralasiatischen Land, von dem ich noch nie was gehört hatte. Flor hatte abermals das Geld dafür überwiesen, und ich hatte die Skripts geschrieben, die uns synchronisierten. Außerdem hatte ich noch ein paar Varianten unserer Domain joenossforsenate.com registrieren lassen, darunter auch welche mit.se (Schweden) und.nz (Neuseeland); einfach in der Hoffnung, dass es deutlich schwieriger sein würde, zwei Länder auf der anderen Seite des Globus mit völlig verschiedenen Rechtssystemen davon zu überzeugen, uns den Stecker zu ziehen, als einfach zu VeriSign zu gehen, die für alle.com-Domains zuständig sind.
    Joe hörte sich das alles geduldig an, dann nickte er.
    »Marcus, ich wusste, dass du der Richtige für den Job bist. Danke für deinen Input und die gute Arbeit. Jetzt aber was anderes: Flor hat gesagt, du warst im Gefängnis? Etwa in der Hühnerfarm?«
    Auf einmal versagte mir die Stimme, und meine Augen wurden feucht. Ich nickte stumm.
    Normalerweise sah Joe eher … na ja, staatsmännisch aus. Wie jemand, der jeden Moment mit einem Foto rechnet und darauf dann auch so wirkt, als dächte er gerade darüber nach, wie er das Land sicher durch die Krise steuern könne. Doch einen Augenblick lang huschte ein Ausdruck über sein Gesicht, den ich dort noch nie gesehen hatte. Fast sah er aus wie ein Prophet des Alten Testaments, der drauf und dran ist, ein großes Unheil auf die Narren herabzurufen, die vom rechten Wege abgewichen sind. Dass ich es war, für den er eintrat, beeindruckte mich nur umso mehr.
    »Marcus, ich spiele dieses Spiel schon eine ganze Weile. Ich habe alle möglichen Gräuel erlebt, die im Namen des Friedens und der öffentlichen Ordnung verübt wurden. Doch die schiere Vorsätzlichkeit dieser Aktion, ihr militärischer Charakter … « Er schüttelte den Kopf. »Ich kann nur sagen, so was darf nicht toleriert werden. Allein, dass sich die Polizei von San Francisco für solche Gelegenheiten mit einer ganzen Flotte Gas versprühender Drohnen eingedeckt und ein riesiges Gebäude in ein Internierungslager verwandelt hat – das darf einfach nicht durchgehen. Wird es auch nicht. Sicher hast du schon von den Sammelklagen gegen die Stadt gehört.« Das hatte ich noch nicht, aber ich war auch vollauf damit beschäftigt gewesen, unsere Infrastruktur aufzurüsten. »Als jemand, der selbst lange Jahre in der Verwaltung dieser Stadt gearbeitet hat, würde ich es dir nicht verübeln, wenn du dich der Klage anschließt.«
    »Danke.« Der Kloß in meinem Hals hatte sich gelöst, und Joe wirkte wieder so staatsmännisch wie eh und je. Alles war wieder normal zwischen uns.
    »Was nun diese Dokumente betrifft: Tut mir leid, wenn ich dir auf die Zehen getreten bin, als ich Liam in deiner Abwesenheit darauf ansetzte. Er hat mir gleich gesagt, dass er das nicht so gut hinkriegt wie du, aber

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