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Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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schütteln und dann an einem kühlen Platz über Nacht stehen lassen (hier benutzte ich eine Kühltasche mit Blisterfolie außenrum). Am Morgen kann man das Ganze dann durch einen normalen Kaffeefilter laufen lassen. Damit erhält man Kaffeekonzentrat, das man mit kaltem Wasser wie gewünscht verdünnen kann – ich mischte meistens halb und halb. Wenn man Lust hat, kann man es auch auf Eis servieren.
    So zubereitet schmeckt Kaffee einfach hammermäßig, und man kann es eigentlich kaum falsch machen. Im Gegensatz zu Espresso, wo das Pulver möglichst gleichmäßig gemahlen sein muss, damit es keine Risse in dem Siebträger gibt, durch den das Wasser gedrückt wird (und wo dann an manchen Stellen zu viel und an anderen zu wenig durchgeht), ist das bei kalt gebrühtem Kaffee ganz egal. Man könnte die Bohnen auch mit einer Steinaxt mahlen. Und im Gegensatz zu Filterkaffee, der bitter wird, wenn er zu lange in heißem Wasser schwimmt, wird er mit der Zeit nur immer leckerer (und koffeinhaltiger!). Es ist so ziemlich die einfachste Art, Kaffee zu machen, sofern man sich nicht daran stört, über Nacht zu warten, und ergibt den besten und stärksten Kaffee, den man je getrunken hat. Der einzige Nachteil ist, dass es viel Schmutz macht, aber mit ein bisschen Geld kriegt man verschiedene Filtriersysteme, von billigen Einsteigermodellen bis zu mundgeblasenen Gerätschaften, die man eher im Labor eines verrückten Wissenschaftlers erwarten würde. Aber eigentlich ist alles, was man für einen umwerfenden Kaffee wirklich braucht, ein Einweckglas, Kaffee, Wasser und etwas zum Filtern. In New Orleans macht man den Kaffee schon seit Jahrhunderten so, aber aus irgendeinem Grund hat es sich nie durchgesetzt.
    Die ganze Woche hatte ich die Ebene mit einer großen Thermosflasche voll Konzentrat patrouilliert und jedem, der nett aussah oder so, als ob er es vertragen könnte, eine Tasse ausgeschenkt. Jeder Einzelne war vom Geschmack überrascht gewesen. Es ist lustig mit anzusehen, denn das Konzentrat riecht ziemlich kräftig, und die meisten Kaffeetrinker erwarten, dass »kräftig« auch »bitter« bedeutet. Beim ersten Schluck zieht einem das Aroma voll in die Nase und die Nebenhöhlen, und man denkt: » DAS IST TIERISCH STARK !« Und der Geschmack ist auch stark, aber keine Spur bitter. Als hätte man eine Tasse Kaffee genommen und einfach alles entfernt, was nicht durch und durch lecker ist. Was bleibt, ist dieser reine, starke Kaffeeauszug mit all seinen feinen Nuancen: Zitrusfrüchte und Kakao, ein bisschen Ahornsirup und darunter der normale, starke Kaffeegeschmack, wie man ihn kennt und liebt.
    Ich hatte im Laufe dieser Woche bestimmt ein Dutzend Leute zu meinem Kult des Kaltgebrühten bekehrt. Das Schwierigste war gewesen, Ange daran zu hindern, einfach alles zu trinken, bevor ich es verschenken konnte. Aber für morgen früh hatten wir noch genügend Sprit angesetzt – ich hatte vor der Tempelverbrennung den ganzen Kaffeerest dafür verwendet – , und wenn wir nur die Hälfte davon tranken, würden wir während der Wartezeiten beim Exodus wahrscheinlich aussteigen und losrennen wollen, um die überschüssige Energie loszuwerden.
    Bei diesem Gedanken nahm ich die Thermosflasche vom Gürtel und schüttelte sie. »Wie wär’s jetzt mit Zauberbohnensaft?«, fragte ich Ange.
    »Mjam.« Sie schnappte mir die Flasche aus der Hand und trank gierig.
    »Lass mir noch was drin.« Ich eroberte die Flasche zurück und trank die Reste von heute. Nach der tiefen, trancegleichen Erfahrung der Tempelverbrennung hätte ich mich am liebsten in einem Kissenberg eingeigelt, doch es war der letzte Abend, und ich wollte tanzen, also brauchte ich Stoff.
    Ich setzte die Flasche gerade ab, als ich Masha und Zeb wieder entdeckte. Sie liefen völlig steif nebeneinander her, mit ausdruckslosen, wie versteinerten Gesichtern. Sie waren gut fünfzig Meter entfernt, und zuerst dachte ich, sie wären nach dieser außergewöhnlichen Nacht bloß irgendwie geistig weggetreten. Bald aber merkte ich, dass etwas definitiv nicht stimmte. Denn ganz dicht hinter ihnen liefen zwei große Kerle mit Strickmützen genau wie der, die Carrie Johnstone – oder ihre Zwillingsschwester – getragen hatte, und dunkelgrauen Tüchern vorm Gesicht, obwohl gerade gar kein Staub wehte. Sie trugen sogar genau dieselbe quasimilitärische Kleidung: Jacke, Baggy Pants und schwere schwarze Stiefel. Und noch etwas war eigenartig. Erst kam ich nicht drauf, dann aber erkannte ich es:

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