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Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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Sie waren Blindgänger – sie trugen keine Leuchtkabel, keine Lichtquellen am Körper. Und Zeb und Masha ebenso wenig.
    Ich erfasste das alles in Sekundenschnelle und noch während ich mich bereits in Bewegung setzte. Richtig bewusst wurde mir das Meiste erst hinterher. »Weg hier«, sagte ich, griff nach Anges Hand und schob mich mit ihr durch die Menge. Etwas stimmte hier ganz und gar nicht. Und auch wenn Masha nicht gerade meine beste Freundin war, wollte ich herausfinden, was mit ihr und Zeb und den beiden Typen da los war.
    Trotz allem versuchte ein Teil meines Gehirns mir immer noch weiszumachen, dass alles in Ordnung sei: Wahrscheinlich sind sie es gar nicht. Wahrscheinlich tragen sie sogar Lichtquellen und haben sie nur ausgeschaltet, um Batterien zu sparen. Mann, Ange wird mich vielleicht für einen Paranoiker halten, wenn ich ihr erzähle, was ich mir gerade einbilde …
    Die vier liefen jetzt in Richtung der offenen Wüste, und aus der Menge hinter ihnen trat eine weitere Person, die die Nachhut bildete. Es war Carrie Johnstone, und als ein Mutantenauto vorbeifuhr und seinen Flammenwerfer aktivierte, konnte ich ihr Gesicht ganz deutlich erkennen. Es bestand kein Zweifel, das war sie. Wachsam ließ sie den Blick hin und her schweifen, so wie die Bodyguards des Präsidenten im Fernsehen.
    Ange sagte etwas, das ich nicht verstand, und zerrte an meiner Hand, also ließ ich los, denn ich war mir sicher , dass es Carrie Johnstone war, und ich war mir genauso sicher , dass sie Zeb und Masha in ihrer Gewalt hatte. Schließlich war ich selbst mal ihr Gefangener gewesen. Genau wie Ange. Ich wusste nur zu gut, was das hieß, und ich würde nicht zulassen, dass es sich wiederholte.
    Die fünf verschwanden in der Nacht, und ich bahnte mir den Weg durch die Menge, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, ob ich jemanden anrempelte oder ihm auf die Füße trat. Die Leute fluchten, doch ich achtete nicht weiter darauf. Mein Gesichtsfeld war nur noch ein enger Tunnel, an dessen Ende Carrie Johnstone stand. Ich griff nach der Thermosflasche an meinem Gürtel – sie war aus hartem Metall, nicht allzu schwer, aber wenn man sie jemandem mit voller Wucht über den Kopf zog, würde das nicht ohne Wirkung bleiben. Genau das hatte ich mit Carrie Johnstone vor.
    Ich stieß einen wortlosen Laut aus. Er begann ganz leise, steigerte sich aber rasch zu einem Brüllen, eher noch einem Schlachtruf . Jahrelang hatte mich diese Frau in meinen Träumen heimgesucht. Sie hatte mich erniedrigt, mich gebrochen, und nun wollte sie dasselbe jemand anderem antun. Es lag allein an mir, das zu verhindern.
    Ein Wüstenrad fuhr mich fast über den Haufen. Der Fahrer wich mir in letzter Sekunde noch aus und stürzte direkt vor mir hin. Ich stieß mir das Schienbein, hielt aber nicht an. Im Gegenteil, ich sprang über das Rad und rannte noch schneller.
    Mein ganzes Leben war ich noch nicht so gerannt. Es war ein echter Sprint, meine Füßen berührten kaum noch den Boden. Doch mitten im Lauf wurde alles um mich auf einmal höllisch orange, ich hörte ein schreckliches Fhuumpf , und ein heißer, lauter Windstoß riss mich von den Füßen und sandte mich Gesicht voran zu Boden.
    Einen Moment lag ich wie betäubt – wahrscheinlich nicht nur ich – , dann rappelte ich mich wieder auf. Meine Nase blutete, meine Lippe fühlte sich seltsam taub und feucht an, und ich dachte noch ganz sachlich und distanziert: Da habe ich mir wohl ganz schön die Fresse poliert. Dieselbe innere Stimme rügte mich dafür, dass ich mich entgegen allen Regeln der Ersten Hilfe schon wieder bewegte. Selbst wenn es keine Wirbelsäulenverletzung oder Gehirnerschütterung war, hatte mein Gehirn noch gar nicht die nötige Zeit gehabt, die Schmerzen eines kleineren Knochenbruchs zu registrieren. Vielleicht machte ich ja alles nur noch schlimmer, wenn ich jetzt weiterlief.
    Doch ich sagte meiner inneren Stimme, sie solle die Klappe halten, wortwörtlich sogar: Halt die Klappe, ich hab hier zu tun, so wie man einen kläffenden Hund abwimmelt. Denn ganz egal, wieso der Himmel gerade orange geworden war, egal, was diesen lauten Stoß aus heißem Wind verursacht hatte: Carrie Johnstone war dafür verantwortlich. Das war Teil ihres Plans, Zeb und Masha etwas anzutun. Ich wusste es einfach. Zwar nicht so, wie man zum Beispiel seine eigene Adresse kennt, aber es war mir mit derselben Gewissheit klar, mit der man weiß, dass ein Ball, den man in die Luft wirft, auch wieder herunterkommt. Es war

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