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Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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Verwundeten zu kümmern. Niemand schert sich jetzt noch darum, ob sich jemand ohne Ticket rein oder raus stiehlt.«
    »Meinetwegen.« Ange nahm meine Hand. »Man kann es aber auch so sehen: Die Leute hier fahren schon seit ewig mit selbstgebastelten Flammenwerfermobilen herum, und es war nur eine Frage der Zeit, bis eins davon hochgeht. Und du hast im Dunkeln jemanden was tun sehen, das auf die Entfernung wie eine Entführung für dich aussah. Und zwar nach einer Woche Schlafentzug dank Koffein und Partydrogen, kurz bevor du dir den Kopf gestoßen und dabei die Nase gebrochen hast.« Sie sagte es ganz ruhig und hielt meine Hand fest, als ich sie wegziehen wollte.
    »Marcus«, sie fasste mich am Kinn, damit ich sie anschauen musste. Ich zuckte zusammen, denn ihr Griff übte Druck auf die Stiche in meiner Lippe aus, doch sie ließ mich nicht los. »Marcus, ich weiß, was du durchgemacht hast. Vieles davon hab ich selbst durchgemacht. Ich weiß auch, dass manchmal unwahrscheinliche Dinge passieren. Ich war ja dabei, als Masha dir den Stick gegeben hat. Es ist dein gutes Recht zu glauben, was du willst.«
    »Aber?«, fragte ich, denn es war klar, dass da noch etwas kommen würde.
    »Ockhams Rasiermesser.«
    Ockhams Rasiermesser: die Regel, die besagt, dass bei einer Vielzahl möglicher Erklärungen für ein Phänomen die einfachste immer auch die wahrscheinlichste ist. Vielleicht schließen deine Eltern die Schublade in ihrem Schlafzimmer ja ab, weil sie Geheimagenten sind und nicht wollen, dass du ihre Giftpfeile und Selbstmordpillen findest. Vielleicht verstecken sie da aber auch einfach nur ihr Sexspielzeug (iih!). Angesichts der Tatsache, dass deine Eltern wenigstens einmal in ihrem Leben miteinander geschlafen haben und (zumindest in San Francisco) die Chancen nicht schlecht stehen, dass sie mit den Jahren auch den einen oder anderen Vibrator gekauft haben, wandert die Geheimagententheorie im Stapel möglicher Erklärungen eher nach unten. Man könnte es auch so formulieren: »Außerordentliche Behauptungen erfordern auch außerordentliche Beweise.«
    »Ockhams Rasiermesser ist schön und gut«, sagte ich. »Ich halte es für ein sehr nützliches Instrument. Es ist aber auch kein richtiges Gesetz. Manchmal passiert einfach etwas Unwahrscheinliches. Gerade wir beide sollten das wissen. Ich habe gesehen, was ich gesehen habe, und das kurz nachdem ich Masha getroffen habe, die wirklich in allen möglichen Geheimdienstkram verstrickt ist und total auf Paranoia war. Vielleicht war sie das ja aus gutem Grund.«
    »Okay – und vielleicht hat genau das dazu geführt, dass du alles, was danach passiert ist, so dramatisch und bedrohlich wie nur möglich auslegst.« Sie ließ mich los und musterte die Menschen ringsum. »Marcus, wenn du zu wissen glaubst, was passiert ist, dann weißt du auch, was du zu tun hast. Masha hat es dir erklärt.«
    Wenn du je mitkriegst, dass es mich erwischt hat, oder Zeb, dann geh damit an die Öffentlichkeit. Schrei es von allen Bergspitzen.
    Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Ich war völlig fixiert darauf gewesen, Masha zu retten und zu beweisen, dass ich nicht verrückt war, deshalb hatte ich etwas Wesentliches total vergessen: Ich war Mashas Lebensversicherung. Sie hatte damit gerechnet, dass es sie möglicherweise »erwischen« würde, und mich für diesen Fall mit ihren persönlichen Gegenmaßnahmen beauftragt.
    Jetzt, da mir das klar wurde, begann mich der Gedanke zu ängstigen.
    »Ich weiß nicht, was sich in ihren Dateien alles befindet«, sagte ich, »aber ich habe so ein Gefühl, dass ein paar sehr einflussreiche Leute richtig wütend auf uns werden, wenn wir es veröffentlichen.« Ich dachte wieder an das Gefühl der Lähmung, das mich befallen hatte, als Johnstone direkt neben mir stand, diese Angst, die mir bis tief ins Mark gefahren war. Ich war davon überzeugt, dass Johnstone Masha entführt hatte, um den Inhalt ihrer Dateien unter Verschluss zu halten. Was würde sie mir wohl antun, wenn ich ihr Geheimnis verriet?
    Noch schlimmer: Was würde sie tun, wenn Masha ihr sagte, dass ich die Dateien nun besaß?
    »Ach du Scheiße«, sagte ich. »Ange, was machen wir denn jetzt?«
    Wir einigten uns darauf, bis zum nächsten Morgen überhaupt nichts zu unternehmen. Ich war verletzt, wir waren mitten in der Wüste, hatten keine Laptops dabei und, ehrlich gesagt, eine Heidenangst wegen Mashas File und vor dem, was passieren würde, wenn wir ihn veröffentlichten. Ich trug den USB

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