Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
bricht, als dass der Zucker nachgibt. Zucker ist aber auch wasserlöslich, sodass ich meine Playastaub-Drucke hinterher einfach würde auflösen können. Keine Spuren – ganz, wie es die Regeln des Festivals verlangten.
Ich hatte zuvor auch ein paar Testläufe gemacht (mit Gipskarton, den ich durch eine alte Kaffeemühle gejagt hatte), und ich schwöre, in San Francisco lief alles reibungslos. Ich habe keine Ahnung, wieso es in Black Rock City dann schiefging. Die Solarpaneele waren in Ordnung, und ich hatte mit einem geliehenen Universalmessgerät jeden einzelnen Stromkreis und Kontakt überprüft. Doch das sture, gemeine Miststück wollte sich nicht einmal einschalten lassen. So viel zu Geheimprojekt X-1.
Selbst in meinem momentanen Zustand, blutverschmiert und traumatisiert, tat es mir noch weh, den Drucker wieder einzupacken. Ich hatte davon geträumt, fantastische Formen und Fabelwesen aus Playastaub zu drucken, Monsterköpfe und alles, was sich auf Thingiverse, der kostenlosen Onlinedatenbank für 3D-Formen, so fand. Ich hatte der coolste und cleverste Typ des ganzen Festivals sein wollen. Eine Legende. Stattdessen war ich nur der Typ gewesen, der von morgens bis abends schwitzend und fluchend an seiner Maschine rumschraubte, bis seine Freundin ihm eins auf den Deckel gab und dafür sorgte, dass er endlich unter Leute ging und etwas Spaß hatte. Natürlich hatte sie damit auch recht gehabt, und unser Kaffee war immer noch ein Erfolg gewesen; aber es war trotzdem verdammt schade, nicht das Geringste gedruckt zu haben.
»Nächstes Jahr wird’s schon klappen«, sagte Ange. »Wirst schon sehen.« Sie schaute in die staubverhangene Playa hinaus, in der fünfzigtausend Menschen damit beschäftigt waren, Black Rock City wieder in Black Rock Desert zu verwandeln (Aufträumteams würden die nächsten Wochen noch die letzten Spuren menschlicher Besiedelung beseitigen). »Wir müssen jetzt los.«
5
Auf dem Heimweg sprachen wir kaum ein Wort. Lemmy, unsere Mitfahrgelegenheit, war ein Typ um die vierzig, der seit zwanzig Jahren zum Burning Man kam. Normalerweise, sagte er, sei der Exodus eine richtige Party: Während der Wartezeiten stiegen die Leute aus und unterhielten sich oder tanzten. Doch nach der Explosion gestern Nacht mit all den Verletzten war niemandem mehr nach Party zumute. Die stündlich Richtung Reno aufbrechende Autokolonne war wie ein Trauerkorso, und es wurde auch nicht besser, als wir in einer der kleinen indianischen Siedlungen zum Tanken hielten.
Meine Stimmung war, ehrlich gesagt, auch nicht viel besser. Ich war völlig erledigt, die Schmerzmittel machten mich müde, aber das Gerüttel der Fahrt hinderte mich am Schlafen. Ab Reno übernahm Ange das Steuer, und da döste ich endlich ein. Beim nächsten Tankstopp in Sacramento kam ich kurz wieder zu mir, und auf einmal stand ich schon daheim in San Francisco auf dem Potrero Hill, vor der Haustür meiner Eltern.
Ich gab Ange zum Abschied einen Kuss und schleppte Rucksack und Seesack zum Eingang. Eigentlich hatte ich meinen Eltern von Reno aus Bescheid geben wollen, dass ich unterwegs war, aber schlafen war wichtiger gewesen. Und da war ich nun, mit einem Gesicht wie durch den Fleischwolf gedreht und einer Hosentasche voller Staatsgeheimnisse, die von skrupellosen Folterknechten gesucht wurden. Hey Mom, hey Dad! Ihr werdet nicht glauben, was mir da draußen in der Wüste passiert ist. Das würde noch ein echter Spaß werden.
Im Haus herrschte ein einziges Chaos. Seit Dad seinen Job verloren hatte und mehr Zeit daheim verbrachte, war das Normalzustand. Wer hätte gedacht, dass er ein solcher Chaot war? Mom weigerte sich, ihm hinterherzuräumen (super, Mom!), ihre Ekelgrenze lag aber auch sehr hoch. Als sie dann ebenfalls den Job verlor, war das Haus schon ein Schlachtfeld – und es wurde nicht besser.
Ich stapfte durch den Haufen Schuhe im Eingangsbereich und schleppte meinen Kram über einen Stapel alter Zeitungen, die ich dabei über den ganzen Boden verteilte. »Hi!«, rief ich und hoffte wider besseres Wissen darauf, dass ich meinen Hintern ins Bett bekam, ehe man mich in ein Gespräch verstrickte.
»Marcus!«, rief Mom aus dem Wohnzimmer. »Wir haben uns ja solche Sorgen gemacht!« Gleich darauf stand sie auch schon im Flur und erschrak über mein Gesicht. »Ach du lieber Himmel.« Wie immer, wenn sie aufgeregt war, ging ihr britischer Akzent mit ihr durch. Ich fand das eigentlich ganz lustig.
»Alles ist gut«, beruhigte ich sie. »Auf
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