eintraten, mir einen Sack über den Kopf stülpten und mich in den nächsten Flieger nach Afghanistan setzten, ehe das nächste automatisierte Back-up durchlief. Und natürlich lud ich gleich darauf den Torrent File runter.
Wer sich nicht richtig damit beschäftigt hat, denkt wahrscheinlich, dass BitTorrent bloß »raubkopierte Filme« bedeutet. Es stecken aber eine Menge gute Ideen in dem Ansatz. Einzelne Dateien werden in tausend kleine Stückchen aufgeteilt, und wenn einem welche fehlen, kriegt man sie von jedem anderen User, der sie hat. Während man so immer mehr Teile der gesuchten Datei zusammenträgt, bekommt man auch selbst Suchanfragen. Die Gesamtheit aller Leute, die gerade etwas runterladen, nennt sich der »Schwarm«, und wie man unschwer erraten kann, geht das Runterladen umso schneller, je größer der Schwarm ist. Das ist schon ziemlich cool, wenn man bedenkt, dass es in der physischen Welt genau umgekehrt läuft: Je mehr Leute etwas wollen, desto schwerer wird’s, es zu kriegen. Wäre doch schön, wenn Lebensmittel wie BitTorrent wären: Immer, wenn man etwas isst, bleibt mehr für alle anderen übrig.
Natürlich heißt das umgekehrt auch, dass das Tauschen umso schwerer fällt, je weniger Leute einen File besitzen. Ich suchte auf gut einem Dutzend Torrent-Seiten nach Mashas File, beginnend mit der größten, The Pirate Bay. Es gab etwa zehn Seeder da draußen – Rechner, die über komplette Kopien verfügten – , plus zwei weitere, die den File gerade runterluden. Das war interessant: Vielleicht waren es finstere Regierungsagenten, die versuchen wollten, Mashas Daten zu knacken. Vielleicht waren es aber auch bloß irgendwelche Bots der Rechteindustrie, die einfach alles runterluden, um zu schauen, ob es vielleicht eine Klage oder Abmahnung lohnte.
Auf jeden Fall würde ich nicht meine IP zum Runterladen verwenden. Meine Eltern hatten ihren Anschluss bei AT &T – ein ziemlich beschissener Anbieter, der im Ruf stand, die Daten seiner Kunden auch gerne mal ohne Gerichtsbeschluss preiszugeben. Da konnte ich auch gleich den Heimatschutz anrufen und fragen, ob sie nicht ihre sensiblen Daten wiederhaben wollten: »Hey, ich habe, was ihr sucht! Ich bin klein, wehrlos und unbewaffnet. Wollt ihr meine Adresse?«
Aus genau dem Grund habe ich immer schon das Geld für IP redator zusammengekratzt, den Proxy-Service der Pirate Bay. IP redator wurde eigens dafür entwickelt, dass niemand mitkriegt, was man so runterlädt. Sämtliche Verbindungsdaten flitzten zwischen Kopenhagen und Stockholm hin und her, also über eine Landesgrenze, und wurden nicht aufgezeichnet. Der Service war superschnell – für einen Proxy, der natürlich nie so schnell ist wie eine direkte Verbindung – , und verglichen mit den Hardcorehackern, die ihn betrieben, war ich nur ein braves, obrigkeitshöriges Kind, das mit Müh und Not seinen Rechner anschalten konnte. Wenn mir irgendwer helfen konnte, etwas anonym runterzuladen, dann diese Jungs.
Sobald der Download gestartet war, checkte ich meine Mails. Ich war nie ein großer E-M ail-Nutzer gewesen – mit meinen Freunden verabredete ich mich über Twitter oder verschlüsselt über das Xnet – , aber meine Profs in Berkeley hatten immer E-M ails geschrieben, und für meine Jobsuche hatte ich auch eine Adresse gebraucht. E-M ails konnten echt Arbeit machen. Die Leute erwarteten von einem, dass man auch antwortete, und es gab: So. Viel. Spam. Auf Twitter oder im Xnet konnte ich einfach alles, was während des Festivals reingekommen war, überfliegen und als gelesen markieren. Aber wenn man auf Mails nicht reagierte, nahmen es die Leute einem krumm. So funktionierte das einfach. Auch ich fühlte mich ignoriert, wenn ich keine Antwort bekam.
Download download download. Spam spam spam. Löschen löschen löschen. Dieses doofe E-M ail-Ritual, das meine Eltern so zu mögen schienen. So langweilig. Als ich den Riesenstapel Mist endlich auf das bisschen echte Post eingedampft hatte, blieb mein Blick an einer Mail mit dem Absender »Joseph Noss« hängen. Wahrscheinlich war es nur ein Spendenaufruf – meine Adresse schien irgendwie den Weg in die Mailinglisten sämtlicher Senatskandidaten gefunden zu haben. Doch in Anbetracht der Tatsache, dass mir Mitch Kapor persönlich die Adresse von Joseph Noss’ Wahlkampfleiterin auf den Arm gekritzelt hatte, war der Zufall zumindest … interessant.
Ich öffnete die Mail.
> Von: Joseph Noss
[email protected] > An: Marcus Yallow