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Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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Ich versuchte mein Glück an der Tür, doch sie war noch verschlossen. Dann klopfte ich an die Scheibe und versuchte zu erkennen, ob schon jemand da war, aber drinnen war es dunkel, und niemand reagierte. Ich klopfte erneut – nichts. Auch gut. Ich stellte mich neben die Tür, wartete auf Flor Prentice Y Diaz und versuchte, eine Aura der Einstellbarkeit zu versprühen.
    Sie kam um genau 8:29 Uhr. Sie trug Bluejeans, eine hübsche Bluse, ein Kopftuch und hatte sich in dem türkischen Laden einen Kaffee zum Mitnehmen besorgt. Ihr Gesicht war ernst, beinahe böse, wie sie da lief, so als beschäftigten sie eine Menge Probleme. Als sie mich entdeckte, lächelte sie erst, dann musterte sie mit gerunzelter Stirn mein verschrammtes Gesicht. »Marcus?«
    Ich erwiderte das Lächeln und streckte ihr die Hand hin. »Hi! Tut mir leid wegen dem hier … « Ich verzog das Gesicht. »Ich war letztes Wochenende beim Burning Man, und neben mir ist ein Auto explodiert. Es sieht viel schlimmer aus, als es ist.«
    Ihr Händedruck war sanft, trocken und warm. »Hab davon gehört. Bist du sicher, dass es dir wieder gut geht? Wenn du lieber einen anderen Termin möchtest … «
    Ich winkte ab. »Nein, ist nicht nötig! Es geht mir wirklich gut. Außerdem meinte Joe – Mr. Noss – , dass es eilig ist, oder?«
    »Das stimmt allerdings. Na, dann wollen wir mal reingehen, wie?«
    Sie kramte einen großen Schlüsselbund aus ihrer Tasche und schloss die Tür auf. Mit der anderen Hand schlug sie auf einen Lichtschalter. Ein paar Neonröhren erwachten flackernd zum Leben und erhellten einen Raum, der wie eine große Höhle wirkte. Unter mehreren Tapeziertischen häuften sich Reste von Klebestreifen. An einigen Wänden hing immer noch Werbung für billige Sofas, und wo früher die Kasse gestanden hatte, lag nun Zubehör für Siebdrucke herum. Zwar hatte man darüber einen großen Abzug montiert, doch der Geruch nach Farbe hing noch in der Luft. Unter der abgehängten fleckigen Decke spannten sich Wäscheleinen, an denen T-S hirts und Poster im Braun und Orange des zukünftigen Senators trockneten.
    »Hier passiert der ganze Zauber.« Sie steuerte auf einen Schreibtisch in der Mitte der Halle zu, wo ein großer Monitor umgeben von Papierstapeln stand, nahm ihren Laptop aus der Tasche, schloss ihn an und gab ihr Passwort ein. Ich wandte höflich den Blick ab, konnte aber hören, dass es bewundernswert lang und komplex war. Ich glaubte sogar den Klang der Umschalttaste und mehrfach das verräterische Klappern der Leertaste zu hören.
    »Scheint ein gutes Passwort zu sein«, meinte ich.
    »Allerdings«, erwiderte sie. »Ich nehme es damit etwas genauer, seit mir vor ein paar Jahren mal jemand den Yahoo-Account geknackt hat und mein ganzes Adressbuch eine Mail bekam, in der es hieß, ich säße nach einem Überfall in London fest und bräuchte dringend Geld. Ich nehme mal an, du hast deine eigenen kleinen Sicherheitsrituale, oder nicht?«
    Ich nickte. »Aber nur ein paar. Je mehr man sich damit beschäftigt, desto mehr fällt einem auf, was man eigentlich noch besser machen müsste.«
    Sie verfolgte gebannt, wie ihre Mails abgerufen wurden. Mir fiel auf, dass sie nicht einmal atmete. Davon hatte ich schon mal gelesen: E-M ail-Apnoe. Leute hielten unwillkürlich den Atem an, wenn sie ihre Inbox öffneten. Ich nahm mir vor, sie mal darauf anzusprechen, wenn ich den Job bekam.
    »Gute Wahl«, sagte ich mit Blick auf ihren Kaffee, als sie sich schließlich zurücksinken ließ und nach Luft schnappte. »Der türkische Laden ist spitze.«
    »Der Mokka dort ist schon was Besonderes.« Sie nippte an ihrem Becher, dann nahm sie ein paar Akten aus ihrer Tasche. Ich erkannte meinen Lebenslauf. »Du wohnst hier ganz in der Nähe?«
    »Meine Schule war die Chavez High, gleich die Straße hoch.«
    »Meine Kinder waren auch dort. Das müsste aber vor deiner Zeit gewesen sein.«
    Ich hatte ein gutes Gefühl, was das Gespräch anging. Wir hatten schon so viel gemeinsam: dieselbe Schule, derselbe Kaffee … Wir hatten noch nicht einmal über Barbara Stratford geredet.
    Sie legte meinen Lebenslauf wieder weg. »Du scheinst ein netter Junge zu sein, Marcus.« Auf einmal war meine Sicherheit dahin. Sie wirkte nun sachlich, professionell, ihr Gesicht wie eine Maske. »Du hast aber nicht gerade viel Berufserfahrung, oder?«
    Ich spürte meine Wangen glühen. »Nein. Das heißt … « Ich atmete tief durch. »Mein Vater wurde letztes Jahr von der Uni entlassen, und da

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