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Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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dem Altpapier-Korb, lochte sie und heftete sie in eine Mappe. Ich hätte mir auch mit Schleicher Notizen machen können – ich hatte ihn dabei und auf Alibi gebootet, sodass der ganze finstere Geheimkram sicher versteckt war. Aber ich musste jetzt erst mal viel rumlaufen, mich zu den Leuten setzen, ihre Namen und MAC -Adressen und so weiter notieren, und dafür war Papier einfach viel praktischer. Später konnte ich alles noch abtippen.
    Immer wieder ertappte ich Flor dabei, dass sie mich von ihrem Tisch in der Mitte des Raums aus im Blick behielt. Dann nickte sie mir zufrieden zu – weil ich so emsig durch die Gegend lief, wahrscheinlich – , und das gab mir wiederum ein gutes Gefühl. Schließlich sollten ruhig alle sehen, dass ich mir gleich am ersten Tag den Allerwertesten aufriss. Ich war vielleicht ein Morlock, aber ich wollte bei den Eloi einen guten Eindruck machen. Nach dem Vorstellungsgespräch war mir wieder eingefallen, dass die Morlocks die Elois nämlich auch fraßen, was den ganzen Vergleich irgendwie etwas seltsam machte. Ich fragte mich, ob das Flors Absicht gewesen war, und wenn ja, warum.
    Gegen zehn Uhr kam Joe hereingeschneit, ein Handy am Ohr und ein anderes in der Hand, und war sofort von einem Dutzend Mitarbeitern mit dringenden Fragen umzingelt. Er klemmte sich das Handy unters Ohr, ohne auch nur eine Sekunde den Faden in der angeregten Unterhaltung zu verlieren, und zeigte den Leuten mit der freien Hand, wo sie auf ihn warten sollten. Die Menge zerstreute sich, er beendete das Gespräch, verstaute das Handy und fuhr dann mit dem anderen Telefonat fort.
    Joe war ein großer, breitschultriger Schwarzer mit kurzem, ergrautem Haar. Seine Hautfarbe war etwas dunkler als die von Milchkaffee, jedenfalls dunkler als der Rollkragenpullover, den er zu bequemen Bluejeans und schwarzen Sportschuhen trug. Ich beschloss, mich ab morgen auch wieder lässiger anzuziehen.
    Ich saß gerade im hintersten Eck des Büros und arbeitete mich durch die Konfiguration des WLAN -Routers. So gern ich auch aufgesprungen wäre und mich vorgestellt hätte, beschloss ich doch, den Morlock zu machen und Joe jetzt nicht bei seiner Arbeit zu stören. Wenn sich später die Gelegenheit ergab, konnte ich immer noch Hallo sagen.
    Joe aber ließ kurz den Blick durch den Raum schweifen, dann hatte er mich auch schon entdeckt und rief aus vollem Hals: »Marcus, hervorragend!« Er joggte direkt auf mich zu, die Hand bereits ausgestreckt.
    »Guten Morgen«, sagte ich.
    »Marcus, du glaubst gar nicht, wie froh ich bin, dass du da bist. Flor meint, sie sei sehr beeindruckt gewesen. Das wundert mich nicht. Ich kann mir denken, dass du eine Menge aufzuholen hast, aber sag ihr doch bitte, dass sie dich morgen auf meinen Terminplan setzen soll, wann immer es noch passt, damit wir uns ein wenig über unsere Strategie unterhalten können, okay?«
    »Alles klar.« Ich gab mir Mühe, nicht zu stottern. Von Angesicht zu Angesicht verströmte Joseph Noss ein solches Charisma, dass es einen sprachlos machte. Er wirkte einfach, keine Ahnung, wichtig und gewandt , und ich hätte ihn so gerne beeindruckt; aber alles, was mir in den Sinn kam, schien einfach zu langweilig, ihn damit zu belästigen.
    »Guter Mann«, sagte er und klopfte mir auf die Schulter, dann machte er kehrt und joggte zurück, wobei er sich die Leute aus der Menge pickte, mit denen er als Nächstes reden wollte. Sie scharten sich in einer Traube um Flors Tisch, und ich ging wieder an die Arbeit.
    »Marcus?«, sprach mich wenige Minuten später jemand an.
    Ich schaute auf. Vor mir stand ein Typ in meinem Alter, vielleicht etwas jünger, mit einem wilden Bart und einem Grinsen, dass man Angst bekam, ihm könnte gleich der Kopf abfallen. Von irgendwoher kannte ich das Gesicht – aber ich kam erst nicht drauf. Ich wollte es mir aber auch nicht anmerken lassen, also stand ich auf und schüttelte ihm die Hand. »Hey, Mann«, sagte ich. »Schön, dich mal wieder zu sehen!«
    Er platzte fast vor Freude. »Mensch, ich fass es ja nicht. Du bist der neue Webmaster? Ganz im Ernst?«
    »Jap«, meinte ich. »Coole Sache, was?«
    Er schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Ist ja irre, ich fass es echt nicht! Marcus Yallow, unser Webmaster? Au Mann! «
    Das kam mir schon etwas bekannter vor: Irgendwer flippte total aus, und ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Alles schon da gewesen – trotzdem hatte ich immer noch keine Ahnung, wie man sich am besten verhielt. »Ja, sag mal, was treibst du

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