Little Miss Undercover - Ein Familienroman
Isabel?«
»Bei Bernie.«
»Wer ist das?«
»Ein alter Freund meines Onkels.«
»Warum bist du plötzlich bei ihm?«
»Bin ich nicht. Er ist gar nicht in der Stadt.«
»Ach«, meinte Daniel. »Rat mal, wer gerade angerufen hat.«
»Die Polizei?«
»Deine Mutter.«
»Das wäre meine nächste Antwort gewesen.«
»Das ist nicht komisch«, sagte er gereizt.
»Tut mir leid. Was wollte sie?«
»Meine Unterstützung. Du sollst die Snows in Ruhe lassen. Sie wollen offenbar eine EV erwirken. Was ist eine EV?«
»Eine Einstweilige Verfügung.«
»Im Ernst?«
»Er blufft nur, Daniel. Da passiert nichts.«
»Ich mache mir ernsthaft Sorgen um dich.«
»Jetzt redest du schon wie meine Mutter. Glaub mir, wenn dieser Fall erst vorbei ist, kehrt wieder normaler Alltag ein.«
»Das ist gerade das Problem, Isabel! Du weißt doch gar nicht, was das ist, ein normaler Alltag.«
Irgendwann gelang es mir, Daniel davon zu überzeugen, dass Normalität mir durchaus ein Begriff ist. Nur mich selbst konnte ich davon nicht überzeugen. Schließlich verabredeten wir uns für den nächsten Tag, ich sollte ihn in der Praxis besuchen.Anders als ich hatte er keine Lust auf einen gemeinsamen Fernsehabend.
Nach dem Telefonat ging ich gleich ins Bett, nicht ohne Ohrstöpsel, die den Verkehrslärm und das Gegröle besoffener Kneipengänger ausblendeten. Leider blendeten sie auch Bernies Schritte aus, der früher als erwartet nach Hause kam und sich prompt zu mir ins Bett legte.
Ich schrie, als seine Hand meinen Arsch berührte. Bernie schrie, als ich schrie, und schien einem Herzanfall nahe. Ich erklärte ihm gleich, dass ich die Nichte seines Kumpels Ray Spellman sei und dringend ein Dach über dem Kopf gebraucht habe. Dann half ich ihm, sich aufrecht hinzusetzen, und checkte seinen Puls. Als sein Herzschlag sich wieder normalisiert hatte, kochte ich ihm eine Tasse Tee. Bernie erklärte, er habe mich für ein Willkommensgeschenk seiner Pokerbrüder gehalten.
»Sehe ich vielleicht aus wie ein Geschenk?«, fragte ich in meinem blau-grün karierten Flanellpyjama.
»Nicht gerade wie das beste Geschenk aller Zeiten. Aber trotzdem nicht übel«, erwiderte Bernie. Dann entschuldigte er sich – nach dem Motto »So sind wir Männer halt« – und bot mir für diese Nacht freundlicherweise sein Bett an. »Ich nehme die Couch«, sagte er mit einem Augenzwinkern. Nach einer letzten Pulsmessung sammelte ich mein Zeug ein. Jake Hand schlummerte immer noch selig hinterm Steuer, so dass ich unbemerkt entwischte.
Ich parkte zwei Straßen weiter weg und schlief bis zur Morgendämmerung auf dem Rücksitz. Dann zog ich mich um, um zur Polizeiwache von Marin County zu fahren. Sheriff Larson ließ mich zwei Stunden warten. Als man mich schließlich zu ihm ins Büro führte, legte er irgendwelchen Papierkram aus der Hand und sagte: »Isabel. Schön, Sie zu sehen.« Dabei klang er so verhalten wie immer.
»Was ist aus dem Toyota Camry Ihres Onkels geworden?«
»Den hab ich nach einer Woche verkauft. Einem Gebrauchtwagenhändler«, sagte er, ohne ein Mal mit der Wimper zu zucken. Er schien auf meine Frage vorbereitet zu sein.
»Warum sollten Sie ein Auto verkaufen, das Sie gerade erst erstanden haben?«
»Bestimmt haben Sie das Strafregister meines Onkels überprüft. Dann wird Ihnen auch nicht entgangen sein, dass man ihm den Führerschein entzogen hatte. Ich wollte bloß dafür sorgen, dass er sich nicht wieder hinters Steuer setzt, damit er weder sich noch andere gefährdet.«
»Das nenn ich edel. Haben Sie über diesen Verkauf noch irgendwo einen Beleg?«
»Das war vor zwölf Jahren, Isabel. Sie wissen doch, dass die Aufbewahrungspflicht nur sieben Jahre beträgt.«
»Erinnern Sie sich noch an das Kennzeichen?«
»Nein. Nach allem, was ich weiß, haben Sie eine schlaflose Nacht verbracht, Isabel.«
»Woher wissen Sie das?«
»Ihre Mutter hat es mir erzählt.«
»Wann?«
»Als ich sie heute Morgen anrief. Da waren Sie gerade hier eingetroffen«, sagte Larson, immer noch mit unbewegter Miene. Seine Ausdruckslosigkeit ging mir allmählich mächtig auf die Nerven.
»Haben Sie ihr gesagt, dass ich hier bin?«
»Ja. Darum habe ich Sie auch zwei Stunden warten lassen. Damit Ihre Mutter unter die Dusche springen und über die Brücke kommen konnte. Ich fand sie übrigens sehr charmant.«
Ich stand auf, um einen Blick aus dem Fenster zu werfen. Meine Mutter parkte tatsächlich direkt neben meinem Auto.
»Nicht zu fassen.« Ich konnte kaum
Weitere Kostenlose Bücher