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Little Miss Undercover - Ein Familienroman

Little Miss Undercover - Ein Familienroman

Titel: Little Miss Undercover - Ein Familienroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Lutz
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sich zu der freundlichen Bemerkung herab, Blond sei ganz und gar nicht meine Farbe, dazu fehle mir die Persönlichkeit. Ich war zu müde, um darüber nachzudenken. Kaum saß ich im Behandlungsstuhl, schlief ich auch schon ein.
    Gefühlte zwei Stunden später weckte mich Daniel. »Wir müssen reden«, sagte er.
    Diesen Satz verstand ich sogar im Halbschlaf, so oft hatte ich ihn schon zu hören bekommen. Daniel wollte gar nicht über unsere Beziehung reden. Er wollte sie beenden.
    »O nein!« Ich sprang aus dem Stuhl.
    »Was?«
    »Ich muss los.«
    »Wo musst du hin?«
    »Ist egal.«
    »Wir müssen reden, Isabel.«
    »Ich muss gar nichts.«
    »Ich aber.«
    »Musst du nicht.«
    »Doch.«
    »Das bildest du dir nur ein.«
    »Setz dich.«
    »Nein.«
    »Doch.«
    »Niemals.«
    »Wir müssen reden.«
    »Ich hab nur ein Nickerchen gemacht.«
    »Na und?«
    »So kannst du mit mir nicht Schluss machen.«
    »Warum nicht?«
    »Weil ich sonst bei jedem künftigen Nickerchen daran denken muss, wie du mit mir Schluss gemacht hast.«
    Allerdings ahnte ich schon seit dem getürkten Drogendeal, dass es mit uns beiden vorbei war. Seither fragte er sich bestimmt jeden Tag, wie die Zukunft mit mir aussehen würde – wie hoch der Anteil an Schein- oder Halbkriminalität auszufallen drohte. Wenn ich der eigenen Familie nichts ersparte, würde ich auch ihm nichts ersparen. Für die Castillos war Liebe gleichbedeutend mit Respekt und Vertrauen; für die Spellmans war Liebe weitaus schwerer zu definieren.
    Während Daniel mich nach unten geleitete, murmelte er, die Nickerchen-Ausrede könnte ich mir beim nächsten Mal schenken.
    Draußen sah ich, wie Dad an Davids glänzendem schwarzem Mercedes lehnte. Für einen unbeteiligten Beobachter musste es wie die Pose eines älteren Mannes wirken, der mit dem Älterwerden nicht hadert, weil er ja dieses wahnsinnigeGefährt sein Eigen nennt. Die Wahrheit war um einiges trauriger: Dad barst schon vor Stolz, weil sein Sohn ein solches Gefährt sein Eigen nannte und auch noch bereit war, es seinem Vater ganz kurzfristig zu überlassen, nachdem dessen ältere Tochter bei zwei von drei Familienwagen die Scheinwerfer eingeschlagen hatte. Noch trauriger war Dads irrige Annahme, seine Tochter würde den teuren, schicken und nur schwer zu reparierenden Wagen des Bruders schonen, selbst wenn der Vater damit fuhr. Das war das Traurigste überhaupt.
    Dad winkte Daniel freundlich zu, als ob nie was gewesen wäre. Doch Daniel hatte ihm die erste Begegnung nicht verziehen, und so deutete er nur ein schwaches Lächeln an. Dann fiel ihm mein kaputtes Rücklicht auf: »Dein Rücklicht ist kaputt, Isabel.«
    »Ich weiß.«
    »Wie ist das passiert?«
    Ich öffnete den Kofferraum und holte einen Hammer aus meinem Werkzeugkasten. Bevor Dad reagieren konnte, hatte ich das rechte Vorderlicht an Davids Wagen eingeschlagen.
    »Genau so.«
    Dad schüttelte den Kopf. Er ärgerte sich, über mich und über seine Fehleinschätzung. Daniel sah mich bestürzt an.
    »Warum tust du so was, Isabel?«
    »Weil er mein Rücklicht eingeschlagen hat.«
    »Und warum tut er so was?«
    Dad ging ein paar Schritte auf Daniel zu. »So kann man die Zielperson nachts besser im Auge behalten. Das fehlende Rücklicht ist gewissermaßen ein Markenzeichen«, erklärte er.
    »Aber warum hat sie bei Ihnen das Vorderlicht zerschmettert?«
    »Dafür gibt es zwei Gründe: Erstens ist sie außer sich vor Wut, sie will sich rächen; zweitens sieht sie dann viel schneller, ob sie mich abgeschüttelt hat oder nicht.«
    »Wie lange wollen Sie das noch mitmachen?«, fragte Daniel meinen Vater.
    »So lange es sein muss.« Mit diesen Worten stieg Dad wieder in Davids Wagen.
    Verfolgungsjagd Nr. 2
Daniels kalter Blick entging mir völlig, weil ich in Gedanken bereits auf der Flucht war. Ich sprang ins Auto und startete den Motor. Mein Reaktionsvermögen hatte sicher vom Nickerchen profitiert, doch im Grunde wusste ich, welch übermenschliche Anstrengung es bedeuten würde, meinen Vater abzuhängen. Dazu wäre ich kaum imstande.
    Nachdem ich mich durch den stockenden Verkehr auf der West Portal Avenue geschlängelt hatte, bog ich nach links auf die Ocean Avenue. Dort ließ der Verkehr deutlich nach, kaum dass die Staatsgrenze von San Francisco passiert war. Dad klebte mir während der ganzen Fahrt an der Stoßstange. Sechs Monate Theorie an der Polizeiakademie und zwanzig Jahre Berufspraxis hatten ihn zum Meister gemacht. Selbst Zielpersonen mit viel mehr Erfahrung

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