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Little Miss Undercover - Ein Familienroman

Little Miss Undercover - Ein Familienroman

Titel: Little Miss Undercover - Ein Familienroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Lutz
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fieberhaft, wie ich mir schnellstmöglich Ersatz besorgen und dann unbehelligt verschwinden konnte. Mir fiel nichts ein – meine Eltern hatten wieder einmal die Oberhand behalten. Doch diesmal wollte ich gewinnen, um jeden Preis, und so blendete ich die möglichen Konsequenzen aus, vergaß Vernunft und Verantwortungsbewusstsein.Zunächst hinterließ ich eine weitere Nachricht auf Martin Snows Band: Schluss mit dem Bluff. Seine Drohungen liefen ins Leere. Wir sollten uns bald treffen.
    Plötzlich öffnete Rae die Fahrertür. Sie wollte wissen, wo ich hinfahren würde und ob sie mitkommen dürfe. Ich sagte, na klar, und ging ins Haus. Im Erdgeschoss stürmte ich jeden Raum, vom Büro über die Küche bis zum Wohnzimmer. Rae folgte mir überallhin, bis ich mich irgendwann umdrehte und sie bei den Schultern packte.
    »Lust auf fünfzig Mäuse?«, fragte ich.
    »Ist das eine rhetorische Frage?«
    »In irgendeinem Winkel dieses Hauses ist eine Autobatterie versteckt. Finde sie!«
    Während Rae nach der Batterie suchte, fahndete ich im ganzen Haus nach Mom und Dad. Als die beiden die Treppe runterkamen, um ins Büro zu gehen, erwischte ich sie.
    Ich wollte kämpfen. Diese Sache ein für alle Mal beenden:
    »Wenn das nicht aufhört, kriegt ihr mich nur noch durchs Fernglas zu sehen. Und zwar für immer. Schluss mit den Beschattungen, den Wanzen, den Lügen und den Drohungen. Lasst. Mich. Bitte. Gehen.«
    Als ich mich dann umdrehte, sah ich Rae hinter mir stehen, sie hatte die Batterie gefunden. Ihre Hände und ihr T-Shirt waren mit Motoröl beschmiert. Ich wollte das Ding an mich nehmen, doch da trat sie einen Schritt zurück.
    »Wo willst du hin?«, fragte sie.
    »Keine Ahnung«, antwortete ich.
    »Kommst du zurück?«
    Ich warf einen Blick auf Mom und Dad, dann sah ich wieder zu ihr: »Da könnt ihr lange warten.«
    Rae trat noch einen Schritt zurück. Ihre dünnen kleinen Finger hielten die Batterie eisern umkrallt. So leicht würde sie die nicht hergeben.
    »Ich tu’s für dich«, sagte ich.
    »Tust du nicht.«
    »Ich tu’s, damit du eines Tages vielleicht auch noch lernst, dich wie ein normales menschliches Wesen aufzuführen.«
    »Rae, gib deiner Schwester die Batterie«, sagte Mom.
    »Nein!«, brüllte sie.
    Onkel Ray kam nun ebenfalls in die Eingangshalle, löste Raes schmierige Finger von der Batterie und überreichte mir das gute Stück. Zu meinen Eltern sagte er: »Lassen wir ihr fünfzehn Minuten Vorsprung, dann können wir alle mal durchatmen. Okay?«
    Sofort rannte ich zum Auto und schloss die Batterie an. Diesmal fuhr ich los, ohne von einem einzigen Familienmitglied verfolgt zu werden. Zwar wusste ich nicht, ob und wie lange dieser Zustand anhalten würde, aber ich verdankte Onkel Ray tatsächlich die dringend benötigte Atempause.
    Zunächst wollte ich Daniel heimsuchen. Da klingelte mein Handy. David war dran.
    Er bat mich, ihn in der Haight zu treffen. Jetzt gleich. Und er wollte mir nicht sagen warum – das würde ich noch früh genug erfahren. Zum Schluss fragte David: »Fährt Mom dir immer noch hinterher?«
    »Schwer zu sagen«, meinte ich.
    »Pass auf, dass dir niemand folgt«, mahnte David. Er legte auf.
    Puff Nr. 2
Zwanzig Minuten später hockte ich mit meinem Bruder im Tattoo-Studio. Gemeinsam blätterten wir im Katalog, auf der Suche nach dem richtigen Motiv.
    »Ich habe sie nie darum gebeten, sich die Tattoos entfernen zu lassen«, erklärte David.
    Ich glaubte ihm. Kaum glauben konnte ich, dass mein Bruder mit meiner besten Freundin zusammen war, nein, mit ihr zusammenlebte. Mein Bruder – der hyperkorrekte Anwalt im superteuren Anzug – liebte eine Frau, die ihren Körper zurHälfte gepierct und mit Farben versehen hatte, die eigentlich für die Ewigkeit gedacht waren. Die Frau, mit der ich seit der achten Klasse am engsten befreundet war, eine Frau, die David seit fünfzehn Jahren und länger kannte. Eine Frau, die sich seit Beginn ihrer Liaison mit meinem Bruder bereits drei Tattoos hatte entfernen lassen: Puff, den magischen Drachen; Jimmi Hendrix’ Grabstein; ein Herz, das von einem Pfeil durchstoßen wurde, darauf in Schnörkelschrift der Name »Brandon«.
    Bisher dachte ich immer, Petra habe ihre Körperkunst geopfert, weil sie Davids subtile Kommentartaktik als Aufforderung gedeutet hatte. Stattdessen wollte mein Bruder durch subtile Fragetaktik einfach nur herausfinden, woher ihre Tattoos stammten. Mich hatte er einbestellt, um die verschwundenen Motive zu identifizieren. David

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