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Little Miss Undercover - Ein Familienroman

Little Miss Undercover - Ein Familienroman

Titel: Little Miss Undercover - Ein Familienroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Lutz
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flüsterte sie. Ich sprang aus dem Auto.
    Während ich den Rasen überquerte, um zur Bande künftiger Burschenschaftler zu gelangen, versuchte ich, deren Gewaltbereitschaft abzuschätzen. Wenn ich will, kann ich ziemlich bedrohlich aussehen (für eine Frau allemal), und so setzte ich mich so langsam und zielstrebig wie möglich in Bewegung;insgeheim hoffte ich, dass ein paar dieser Jungs sich verziehen würden, bevor ich ihnen näher kam. Drei von ihnen erhörten meine Gebete und hauten ab. Blieben vier. Dank meiner 1,77 Meter hatte ich Brandon – dem größten – mindestens siebeneinhalb Zentimeter und siebeneinhalb Kilo voraus. Und ich wusste genau , dass ich mit ihm fertig werden würde. Bloß konnte ich für nichts garantieren, wenn sie es alle vier mit mir aufnehmen wollten. Petra ahnte, was in mir vorging, und stieg aus dem Auto. Lehnte sich an die Beifahrertür, zog ein Messer aus ihrer Potasche und begann, sich die Fingernägel zu reinigen. Die Klinge gleißte im Sonnenlicht. Noch bevor ich Brandon erreicht hatte, beschlossen die anderen Jungs, nach Hause zu gehen. Brandon schien das Gleiche vorzuhaben.
    »Du da. Halt!« Ich zeigte mit dem Finger auf meine Beute. Brandon drehte sich um und rang sich ein höhnisches Lächeln ab. Ich trat auf ihn zu. Dann drängte ich ihn gegen eine Absperrungskette.
    »Dieses dämliche Grinsen kannst du dir von der Backe schmieren«, zischte ich.
    Das Lächeln verschwand, aber nicht die Haltung dahinter: »Was passiert sonst? Wollen Sie mich etwa verprügeln?«
    »Exakt. Ich bin größer als du, zäher als du, zorniger als du – und im Gegensatz zu dir bin ich eine Kämpfernatur. Außerdem habe ich Verstärkung. Du nicht. Jede Wette, dass ich gewinne.«
    »Was regen Sie sich so auf? War doch bloß ein kleiner Spaß.« Brandon wurde allmählich nervös.
    »Ein kleiner Spaß. Sieh an. Findest du es lustig, das Eigentum von anderen zu zerstören? Findest du es lustig, anderen ein blaues Auge zu verpassen? Findest du es lustig, ein Mädchen zu schikanieren, das halb so groß ist wie du? Na, dann werden wir beide ja mächtig Spaß miteinander haben.« Ich packte ihn am Kragen, zog noch etwas fester daran und schleuderte Brandon gegen die Absperrung.
    »Es tut mir leid«, flüsterte er hastig.
    »Ach ja?«
    »Ja.«
    »Pass mal auf«, flüsterte nun ich. »Wenn du dich jemals wieder an meiner Schwester vergreifst oder an ihren Sachen – wenn du sie auch nur schief anguckst –, mache ich dich fertig. Kapiert?«
    Brandon nickte.
    »Sag: Ich hab’s kapiert.«
    »Ich hab’s kapiert.«
    Ich ließ ihn los und sagte, er solle verschwinden. Brandon rannte weg. Jetzt würde er sein Welt- und Selbstbild korrigieren müssen.
    Als ich wieder ins Auto stieg, regte Petra an, dass wir in der Vorschule an der Ecke ein paar Punks aufmischen sollten. Im Rückspiegel warf ich einen prüfenden Blick auf Rae.
    »Alles in Ordnung?«
    Sie erwiderte meinen Blick mit trockenen Augen. Dann fragte sie: »Holen wir uns ein Eis?« Als sei nichts vorgefallen.
    Ich wünschte, damit wäre die Geschichte zu Ende, aber nein: Brandon heulte sich zu Hause bei seinem Vater aus, der gleich unsere Eltern anrief, bevor er mich wegen Körperverletzung anzeigte. Als Rae und ich mit unseren Eiswaffeln nach Hause kamen, hatten Mom und Dad bereits den ersten Drohanruf von Mr. Wheeler erhalten. Die grimmigen Mienen unserer Eltern erinnerten mich prompt an meine kriminelle Jugend. Bestimmt fragten sie sich, ob Die Alte Isabel wieder die Oberhand gewonnen hatte. Dad schlug ein vertrauliches Gespräch im Büro vor und sagte Rae, sie solle fernsehen.
    Natürlich sah Rae nicht fern. Sie lungerte vor der Bürotür herum (die unser Vater abgeschlossen hatte) und versuchte zu lauschen.
    »Isabel, was hast du dir dabei gedacht?«
    »Du hättest das Gleiche getan, glaub mir.«
    »Du hast einem zwölfjährigen Jungen gedroht, du würdest ihn umbringen.«
    »Zunächst einmal ist er vierzehn ...«
    »Immer noch ein Kind ...«
    »... und ich habe nie gesagt, dass ich ihn umbringen will; ich habe nur damit gedroht, ihn fertigzumachen. Das ist ein Riesenunterschied.«
    »Was ist bloß los mit dir?«, kreischt meine Mutter.
    »So rücksichtslos, so verantwortungslos hast du dich schon lange nicht mehr benommen«, schreit mein Vater.
    Da klatscht Rae ihre Hand an die Tür und brüllt aus Leibeskräften: »Lasst sie in Ruhe!«
    Mom brüllt zurück: »Rae, ab zum Fernseher!«
    Wieder schlägt Rae an die abgeschlossene Tür. Der Lautstärke

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