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Little Miss Undercover - Ein Familienroman

Little Miss Undercover - Ein Familienroman

Titel: Little Miss Undercover - Ein Familienroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Lutz
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Natürlich kann man dafür auch ein Handbuch verwenden, gute Observanten verlassen sich aber vor allem auf ihre Intuition. Niemand war überrascht, dass Rae sich als Naturtalent entpuppte. Vermutlich hatte die ganze Familie damit gerechnet. Nur nicht mit dieser restlosen Hingabe.
    Ich verringerte den Abstand zu Youngstrom, weil um die Mittagszeit sehr viele Passanten unterwegs waren. Kaum war ich knapp dreihundert Meter hinter ihm aufgerückt, drehte er sich plötzlich um und eilte auf dem Bürgersteig in meine Richtung zurück. Im Vorbeigehen streifte er meine Schulter und sagte leise »Entschuldigen Sie bitte«. Nun war ich verbrannt und konnte die Fußobservation nicht mehr anführen. Rae befand sich etwa zehn Meter hinter mir, Mom und Dad noch ein Stückchen entfernt. Rae sah noch vor unseren Eltern, dass Youngstrom kehrtmachte. Rasch schlüpfte sie unter ein Baugerüst außer Sichtweite. Mom und Dad konzentrierten sich so sehr auf ihre sechsjährige Tochter, dass sie die Zielperson erst bemerkten, als diese bereits vor ihnen stand. Rae begriff sofort, dass sie als Einzige die Beschattung fortsetzen konnte, und machte über Funk ein entsprechendes Angebot.
    »Darf ich?«, bat sie, während Youngstrom sich allmählich entfernte.
    Ich hörte Mom seufzen, bevor sie zögerlich antwortete. »Ja.«
    Das ließ sich Rae nicht zwei Mal sagen. Sie rannte die Straße entlang, um einen rasch ausschreitenden Mann einzuholen, der sie um mehr als sechzig Zentimeter überragte. Als die Zielperson nach links abbog, Richtung Westen auf die Montgomery, verlor Mom Rae aus den Augen. Panisch rief sie über Funk nach ihrer kleinen Tochter.
    »Rae, wo steckst du?«
    »Ich warte, dass die Ampel grün wird«, erwiderte sie.
    »Hast du die Zielperson im Blick?«, fragte ich. Ich wusste, Rae war in Sicherheit.
    »Er geht jetzt in ein Gebäude rein«, sagte sie.
    »Rae, geh nicht über die Straße. Warte auf Daddy und mich«, sagte meine Mutter.
    »Aber er entkommt uns.«
    »Bleib, wo du bist«, sagte unser Vater mit mehr Nachdruck.
    »Was ist das für ein Gebäude?«, fragte ich.
    »Groß, mit vielen Fenstern.«
    »Kannst du die Adresse erkennen?« Dann wiederholte ich die Frage mit anderen Worten. »Nummern, Rae. Kannst du vielleicht eine Nummer erkennen?«
    »Bin zu weit weg.«
    »Rühr dich ja nicht von der Stelle«, mahnte Mom.
    »Da ist ein Schild. Ein blaues Schild.«
    »Was steht auf dem Schild?«, fragte ich.
    » M-O-M-A «, buchstabierte sie mühsam. Mit einem Mal wurde mir die Absurdität dieser Situation bewusst: Bevor sie richtig lesen konnte, lernte meine kleine Schwester, wie man eine Observation durchführt.
    »Rae, Mommy holt dich gleich an der Ecke ab. Bleib auf jeden Fall, wo du bist. Izzy, wir treffen uns am Eingang des MOMA «, erklärte mein Vater. Und da ging mir auf, dass unsere Familie zum ersten Mal gemeinsam ein Museum besuchte.
    Nach dieser Premiere nahm Rae regelmäßig an Observationen teil, sofern es sich mit ihren Schul- oder Schlafenszeiten vereinbaren ließ.
    Rae im Alter von acht Jahren
    Der Altersunterschied zwischen Rae und David betrug sechzehn Jahre. Er war ausgezogen, als sie erst zwei war, und auch wenn er in der Nähe wohnte, war er längst nicht so präsent wie ich. David zeichnete sich dadurch aus, dass er für Rae die schönsten Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke kaufte und sie als Einziger in der Familie nicht herumkommandierte. Als er sich mal wieder zum Abendessen blicken ließ, was selten vorkam, stellte Rae ihm die Frage, die ihr schon die ganze Zeit unter den Nägeln gebrannt hatte.
    »David, warum arbeitest du nicht auch für Mommy und Daddy?«
    »Weil ich etwas anderes tun wollte.«
    »Warum?«
    »Weil ich mich für Rechtsfragen interessiere.«
    »Macht das Spaß?«
    »›Spaß‹ ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck. Es ist eine Herausforderung.«
    »Würdest du nicht lieber was tun, was auch Spaß macht?«
    David wusste nicht, wie er Rae offen und ehrlich erklären sollte, warum er das Familienunternehmen verlassen hatte, ohne dabei unseren Eltern zu nahe zu treten. Er probierte was anderes: »Ist dir klar, wie viel Geld ich verdiene, Rae?«
    »Nein«, erwiderte sie lustlos.
    »Ich berechne dreihundert Dollar die Stunde.«
    Rae schien verwirrt. Sie stellte die Frage, die ihrer Meinung nach jeder vernünftige Mensch stellen würde: »Das zahlt bestimmt keiner, oder?«
    »O doch. Viele.«
    »Wer?« Raes Neugier war geweckt. Wahrscheinlich dachte sie schon daran, die gleichen Kühe

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