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Little Miss Undercover - Ein Familienroman

Little Miss Undercover - Ein Familienroman

Titel: Little Miss Undercover - Ein Familienroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Lutz
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liebsten hätte ich das Weite gesucht. Diese Frau hatte etwas an sich, das mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Was genau, konnte ich unmöglich benennen, und trotzdem kam sie mir verdächtig vor.
    »War’s das, Ms. Spellman?« Sie wischte die Krümel neben meiner Teetasse weg.
    »Und was macht Martin?«
    »Martin?«
    »Ja. Ihr anderer Sohn.«
    »Martin ist Anwalt. Er vertritt eine von diesen Umweltorganisationen.« Mrs. Snow verdrehte die Augen.
    »Sie sind bestimmt stolz auf ihn«, sagte ich, einfach um das Messer tiefer in die Wunde zu stoßen.
    »Wir haben Unsummen in seine Ausbildung investiert. Und er schließt sich der nächstbesten gemeinnützigen Organisation an. Hätte ich geahnt, dass wir mit unseren hunderttausend Dollar bloß zur Rettung einiger Bäume beitragen, hätte Martin stattdessen einen Studienkredit aufnehmen müssen.«
    »Könnten Sie mir seine Adresse und Telefonnummer geben?«
    »Sie wollen mit ihm sprechen?«
    »Wenn Sie nichts dagegen haben.«
    »Da habe ich gar nichts mitzureden«, erwiderte sie. »Martin ist schließlich erwachsen.«
    Mrs. Snows gekünsteltes Lächeln wurde zusehends schwächer. Bald würde sie unsere Unterredung beenden; wollte ich noch ein paar Brocken aufschnappen, musste ich mich ranhalten. Mit der Zange angelte ich nach einem weiteren Keks aus der Tellermitte.
    »Hoppla«, sagte ich, während ich den Keks zurückschob. »Wie dumm von mir.« Dann nahm ich einen Keks vom Rand. Der Halbkreis wies inzwischen eine Wellenform auf. Ich reichte die Zange an Mrs. Snow weiter: »Bestimmt möchten Sie das in Ordnung bringen.«
    »Sie müssen ein schwieriges Kind gewesen sein«, lautete Mrs. Snows kühle Antwort.
    »Und wie!«, bestätigte ich. Mir wurde langsam übel, ob es an der Kombination von auf nüchternen Magen genossenen Keksen und dem penetranten Geruch nach welken Blütenblättern lag oder an meiner unangenehmen Gastgeberin, wusste ich nicht. Ich wusste nur, dass ich die Befragung schleunigst beenden musste.
    »Sind Ihre Söhne oft zusammen zelten gewesen?«
    »Nicht oft, aber hin und wieder.«
    »Waren auch Freunde dabei?«
    »Greg war meistens dabei«, sagte Mrs. Snow.
    »Greg Larson. Ich habe seinen Namen in der Akte gelesen. Es gibt allerdings keinen Hinweis darauf, dass er beim letzten Mal zugegen war, als Ihr Sohn verschwand.«
    »An diesem Wochenende war Greg nicht mit.«
    »Aber sonst fast immer dabei?«
    »Ich denke schon. Ich habe darüber nicht Buch geführt.«
    »Wissen Sie, wie ich Mr. Larson erreichen kann?«
    »Seine Nummer habe ich nicht, aber Sie können ihn über das Sheriff-Amt von Marin County kontaktieren.«
    »Er ist Sheriff?«
    »Ja.« Mrs. Snow stand auf. »Sind wir jetzt fertig? Ich muss heute noch eine Menge Putzarbeit erledigen.«
    Ich ließ den Blick durch das Wohnzimmer schweifen. Falls überhaupt, würde Mrs. Snow höchstens imaginäre Staubflöckchen beseitigen können. Weil ich aber dringend Luft schnappen musste, folgte ich meiner Gastgeberin bereitwillig zur Haustür.

D AS L ÖSEGELD – F ORTSETZUNG
    Während ich über die Brücke wieder in die Stadt gelangte, saß Onkel Ray auf einer Bank im Herzen des Wachsmuseums, neben dem Letzten Abendmahl . Da er sich noch nie für Religioninteressiert hatte, konnte ihn die überirdisch farbenfrohe Darstellung nicht fesseln. Und so atmete er immer wieder tief durch wie bei einer meditativen Übung, las den Sportteil und versuchte, sich daran aufzurichten, dass er irgendwann sein Hemd zurückbekommen und dieser Alptraum ein Ende nehmen würde. Wieder trat ein unbekannter junger Mann an ihn heran und übergab ihm einen Zettel.
    TELEFONZELLE VOR BEACH & HYDE. 10 MINUTEN.
    Onkel Ray schnaufte und ächzte die drei Blocks zum klingelnden öffentlichen Münzsprecher lang.
    »Ich hab doch ein Handy«, brüllte er atemlos in den Hörer.
    »Aber so macht es mehr Spaß. Nimm ein Taxi ...«
    »Ich hab Hunger! Ich hatte kein Frühstück. Mein Blutzuckerspiegel sinkt«, erklärte Onkel Ray, der wirklich am Ende war.
    »Was hättest du denn gern?«, fragte die Stimme.
    »Ach, ein Clam Chowder wär nicht schlecht, in Brotteig serviert.«
    »Okay, du kannst deine Suppe löffeln, aber dann bist du Punkt eins bei den Suthro Baths«, sagte die Stimme, die mehr und mehr nach Teenagermädchen klang.
    »Lass uns halb zwei sagen. Dann kann ich in Ruhe verdauen.«
    Die Stimme zögerte mit der Antwort. Nachgiebigkeit konnte in dieser Situation einen drastischen Autoritätsverlust bedeuten. Die exakt bemessene

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