Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Live!

Live!

Titel: Live! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
Vom Netzwerk:
nicht immer bis zu ihrem nächsten Friseurbesuch warten, um ihre alten Heftchen loszuwerden.«
    Beide prusten wir los, als hätten wir nur auf die Gelegenheit gewartet, die ganze Anspannung loszuwerden.
    »Was werden Sie mit Janoutsos machen?«
    »Ich schicke ihn dorthin zurück, wo er hergekommen ist, und werde persönlich die Leitung der Mordkommission übernehmen, bis Sie wieder da sind.«
    Zum Schluß nimmt er mir das Versprechen ab, ihn regelmäßig auf dem laufenden zu halten. Ich visiere schon den Knopf fürs Erdgeschoß an, als ich im letzten Augenblick meine Meinung ändere und in die dritte Etage hinunterfahre. Ich durchquere den Korridor und dringe unangekündigt in das Büro meiner beiden ehemaligen Assistenten ein, um sie wieder in Amt und Würden einzusetzen. Offenbar haben sie mich schon abgeschrieben, denn sie starren mich an wie ein Gespenst. Doch nach einem kurzen Blackout fassen sie sich und springen von ihren Stühlen hoch.
    »Herr Kommissar!« rufen sie wie aus einem Mund.
    Da ich ihnen wegen ihres Verhaltens in der Wohnung der beiden Kurden noch eine Revanche schuldig bin, lasse ich Begrüßung und Einleitungsfloskeln wegfallen.
    »Ich wollte euch nur mitteilen, daß mein Urlaub in vierzehn Tagen zu Ende geht. Sollte in der Zwischenzeit irgend etwas vorfallen, könnt ihr mich zu Hause anrufen. Ich werde in Athen sein.«
    »Heißt das … Sie kommen zurück?« fragt Dermitsakis schüchtern.
    »Warum sollte ich nicht zurückkommen? Habe ich etwa Invalidenrente beantragt?«
    »Nein, nein, Herr Kommissar. Nur …«
    »Nur was?«
    »Wir hatten schon jede Hoffnung auf Ihre Rückkehr aufgegeben, Herr Kommissar«, ermannt sich schließlich Vlassopoulos, der schon länger mein Gehilfe ist. »Wir waren der Meinung, wir müßten bis zu unserer Pensionierung diesen Strohkopf als Vorgesetzten ertragen.« Und er deutet auf die Tür meines Büros. »Na ja, ich sage lieber nichts. Hier haben die Wände Ohren, wie es so schön heißt.«
    Sie möchten mich auf einen Kaffee einladen, da ich ihre düsteren Aussichten bis zur Rente aufgehellt habe, aber ich schütze Arbeit vor und beeile mich wegzukommen. Ich habe keine Lust, Janoutsos über den Weg zu laufen. Rachedurst liegt mir fern, und der Anblick geprügelter Hunde verdirbt mir die Laune.
    »Wenn ich vor meiner offiziellen Rückkehr etwas brauchen sollte, dann wende ich mich an euch. Und ihr erledigt das dann, ohne nach Einzelheiten zu fragen«, sage ich zu meinen beiden Assistenten.
    Sie blicken mich verständnislos an, aber ihre Freude über meine Rückkehr ist so groß, daß sie gar nichts Genaueres wissen wollen.
    »Gern, Herr Kommissar.«
    Ich ersuche sie, einen Streifenwagen bereitzustellen, der mich nach Hause fährt. Ich habe nicht vor, in der Mittagsglut zu verschmoren. Drei Minuten später erwartet mich der Wagen am Eingang. Wie gesagt: Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos.

35
    D ie Büros der Firma STARAD liegen in der Vikela-Straße, vis-à-vis der Klinik Ijia. Die Stathatou muß eine Menge Geld für die Einrichtung ihrer Werbeagentur ausgegeben haben. Gleich beim Eintreten versinken die Füße des Besuchers in einem dicken Spannteppich, der jeden Laut verschluckt. Und setzt man sich in einen Sessel, schmiegt sich die Lehne so geschmeidig an den Rücken des Besuchers, daß an kein Entrinnen mehr zu denken ist. Die Bilder an den Wänden hängen in glänzendweißen Rahmen und weisen gerade Linien, Würfel und Kreise in diversen Farben auf, stets mit ein wenig Rot garniert.
    Stathatous Büro hebt sich von den anderen dadurch ab, daß auf dem Spannteppich zwei sündhaft teure Orientteppiche liegen und sich an der Wand hinter ihrem Schreibtisch – dort, wo in unseren Arbeitszimmern normalerweise Christus mit der Dornenkrone hängt – ein Gemälde befindet, das einen kleinen Hafen, Fischerboote und eine Frau zeigt, in deren Rücken sich eine Tür öffnet.
    Die Stathatou ist eine guterhaltene Fünfzigjährige, die in geschminktem Zustand noch jünger wirken würde. Jetzt ist sie ungeschminkt, trägt ein dunkelblaues Kostüm mit dezenten weißen Applikationen am Kragen und blickt mich von oben herab an. Diese Pose hat sie bestimmt von ihrem Herrn Papa übernommen. Schräg gegenüber von Stathatous Schreibtisch sitzt Sotiria Markaki-Favierou. Auch ihr Gesicht ist ungeschminkt, aber faltig und von einer Kurzhaarfrisur umrahmt. Insgesamt wirkt sie geschlechts- und alterslos. Als ich nach Favieros’ Selbstmord ihr Haus in Porto Rafti aufgesucht

Weitere Kostenlose Bücher