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Live!

Live!

Titel: Live! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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hatte, wurde mir mitgeteilt, die Familie sei auf ihrer Jacht verreist. Aus ihrem blassen Teint schließe ich, daß sie sich den ganzen Tag über in der Kabine aufgehalten haben muß. Sie preßt ihre Knöchel aneinander, ihr Blick wirkt argwöhnisch und verängstigt. Wenn man beide nebeneinander sieht, wird sofort klar, welche von beiden in der Firma das Sagen hat und welche als Feigenblatt ihres Ehegatten fungierte.
    Koula und mich hat man, etwa zehn Meter von Stathatous Schreibtisch entfernt, auf das Sofa hinter dem Glastischchen verbannt. Koula hat das schwerere Los von uns beiden, da sie den Notizblock auf ihren Knien balancieren und das Gespräch mitstenographieren muß. Sie ist gerade erst aus Ägina zurückgekommen, leicht gebräunt und mit einer Leinenhose und Sandalen bekleidet. Da sie auf Draht ist und weiß, woher der Wind in unserem Haushalt weht, hat sie nicht zuerst mir gratuliert, daß die Ermittlungen weitergehen, sondern Adriani gegenüber ihr Bedauern geäußert. »Wie leid es mir tut, daß Sie Ihre Ferien verschieben mußten, Frau Adriani!« Danach bekreuzigte sie sich und fügte hinzu: »Gott bewahre, daß ich einen Polizeibeamten heirate.« Und Adriani – statt ihr zu erklären, daß Polizisten im Durchschnitt Ehrenmänner und in der Mehrzahl gute Familienväter sind – schüttelte mit stoischer Gelassenheit den Kopf und antwortete: »Liebe Koula, der Mensch denkt, Gott lenkt – leider.«
    Nun sitzen wir den Damen gegenüber und versuchen herauszufinden, ob am Verhalten ihrer Ehemänner kurz vor den Selbstmorden irgend etwas auffällig war. Unser besonderes Interesse gilt Stefanakos, da wir über Favieros schon einiges in Erfahrung gebracht haben. Die Vorzeichen stehen nicht günstig, denn die Atmosphäre ist verkrampft, und die Witwen verbergen ihr Unbehagen nur mit Mühe.
    »Wozu bohren Sie nach, Herr Kommissar?« fragt die Stathatou. »Unsere Männer haben den Freitod gewählt. Werden sie durch Ihre Nachforschungen wieder lebendig?«
    »Nein, aber wir können andere solche Fälle verhindern. Deshalb bitten wir um Ihre Mithilfe. Bislang gibt es drei Selbstmorde, die nach demselben Schema abgelaufen sind. Kommt Ihnen das nicht verdächtig vor?«
    »Ihr Polizisten findet alles verdächtig«, entgegnet die Stathatou nahezu verächtlich. »Da es sich nicht um Mord handelt, verstehe ich nicht, wonach Sie suchen.«
    »Hatte Ihr Mann einen Grund sich umzubringen, Frau Stathatou?«
    »Soviel ich weiß, nein.«
    »Wie erklären Sie sich dann seinen Selbstmord?«
    Sie scheint sich in ihr Schicksal gefügt zu haben. »Warum bringen sich Menschen um, Herr Kommissar? Weil sie sich ihr Leben anders vorgestellt haben, als es schließlich endete … Weil sie der Welt, so wie sie ist, nichts mehr abgewinnen können … Weil sie ihr Dasein satt haben und nicht mehr weiterleben wollen …«
    »Paßte einer dieser Gründe auf Ihren Mann?«
    »Nein. Loukas hat immer das erreicht, was er wollte. Und er war ein lebenslustiger Mensch.«
    »Was war es dann?«
    »Er ist durchgedreht«, antwortet sie knapp. »So etwas kommt vor, Menschen drehen plötzlich durch, aus heiterem Himmel. Das ist, glaube ich, bei Loukas passiert. Er ist verrückt geworden. Das ist die einzige Erklärung.«
    »Glauben Sie, daß ihn der Wahnsinn dazu getrieben hat, sich öffentlich umzubringen?«
    »Loukas liebte die großen Gesten. Er strebte ins Rampenlicht, jedes Wort und jede Tat sollten Eindruck machen. Das, gesteigert zum Wahn, kann zu extremen Handlungen führen.«
    Wäre Stefanakos’ Freitod der einzige gewesen, erschiene mir ihre Deutung glaubhaft. Aber drei Menschen werden nicht gleichzeitig wahnsinnig, noch gibt es dreimal jemanden, der ihre Wahnsinnstat voraussieht und ihre Biographien schreibt. Andererseits ist Griechenland ein Land, in dem der Wahnsinn Methode hat. Ich wende mich der Favierou zu, in der Hoffnung, eine andere Antwort zu erhalten.
    »Und Sie, Frau Favierou? Haben Sie eine Erklärung?«
    Zunächst wirft sie der Stathatou einen angsterfüllten Blick zu, daraufhin mir, während sie einmal das rechte Bein über das linke und dann wieder das linke über das rechte schlägt.
    »Ich weiß es wirklich nicht. Ich weiß nur, daß ich mit einem Mann zusammengelebt habe, der mit seiner Arbeit verheiratet war, der Tag und Nacht, ja sogar die Wochenenden in seinem Büro verbrachte. Der vor einem geplanten Kinobesuch im letzten Augenblick anrief, weil irgend etwas dazwischengekommen war, der seiner Frau, die zum Ausgehen bereit

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