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Live!

Live!

Titel: Live! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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…«
    »Genau.«
    Sie blickt mich wiederum herablassend lächelnd an. »Das Thema hatten wir doch schon mal, wenn ich mich nicht täusche.«
    »Sie täuschen sich. Sie hatten mir gesagt, dafür sei Frau Stathatou zuständig, denn Sie seien nur für die BALKAN PROSPECT verantwortlich. Doch Frau Stathatou hat mir heute erklärt, sie habe keine Ahnung, denn Sie würden die BALKAN INNS leiten.«
    Sie merkt, daß ich sie in die Enge getrieben habe, doch sie bewahrt kühlen Kopf. »Nun gut, beißen wir uns daran nicht fest.«
    »Hat die BALKAN INNS etwas mit Ihrem anderen Offshore-Unternehmen zu tun?«
    Wortlos erhebt sie sich und tritt aus dem Büro. Koula wirft mir einen befremdeten Blick zu.
    »Was ist denn in sie gefahren?« fragt sie.
    »Warten wir’s ab.«
    Wir müssen uns nicht lange gedulden. Nach wenigen Augenblicken kehrt die Janneli mit zwei Blatt Papier in der Hand zurück. »Das ist die jeweilige Firmengeschichte zusammen mit der letzten Bilanz. Wenn Sie das studieren, werden Sie alle Antworten finden.« Sie bleibt stehen und streckt mir die beiden Blätter entgegen. »Leider ist das Informationsblatt der BALKAN INNS auf englisch, die griechischen sind uns ausgegangen«, fügt sie mit leisem Spott hinzu.
    Das ist mir schnurz. Bilanzen kapiere ich auch auf griechisch nicht. Koula hat sich bereits erhoben. Ich tue es ihr gleich, während ich nach den beiden Zetteln greife. Der Zeitpunkt für unseren Abgang ist gekommen. Oder wie es meine selige Mutter auszudrücken pflegte: Der letzte Teller Pilaf kommt einem Fußtritt gleich – danach muß man gehen.

37
    M ittlerweile weiß ich, was einen geübten Leser ausmacht. Und zwar weder schnelles noch aufmerksames Lesen, sondern zu wissen, was man lesen muß und was man überspringen kann. Dank Logaras’ Biographien falle ich nun in diese Kategorie. Das erste Buch, Favieros’ Lebensgeschichte, hatte ich noch Wort für Wort gelesen. Beim zweiten, Stefanakos’ Biographie, las ich an vielen Stellen nur mehr den Satzanfang, merkte aufgrund der Lektüreerfahrung des ersten Buches schnell, worauf er hinauswollte, und drang um so rascher zu des Pudels Kern vor. Bei Vakirtsis’ Lebensgeschichte, die ich gestern abend begonnen habe, ging ich noch routinierter vor: Ich übersprang das erste Drittel, das wie in den vorangegangenen Biographien die Kinder- und Jugendjahre abhandelte, sowie die Lobhudelei bezüglich seiner journalistischen Tätigkeit und ging gleich zum letzten Drittel des Buches über, wo üblicherweise Logaras’ Sticheleien einsetzen.
    Zu meiner größten Befriedigung hatte ich ins Schwarze getroffen. Sobald das Scharwenzeln und Speichellecken vorbei war, folgte die erste spitze Bemerkung:
     
    Es heißt, man darf, um ein guter Journalist zu sein, vor nichts zurückschrecken. Und Apostolos Vakirtsis schreckte in der Tat vor nichts zurück. Er terrorisierte und erpreßte die Leute so lange, bis er die gewünschten Informationen in der Hand hatte. Minister, Abgeordnete, Bürgermeister und Gemeinderäte zitterten vor ihm und kamen ihm entgegen, um nicht in seine Fänge zu geraten. Solche Methoden benutzte Apostolos Vakirtsis, um seine Anschuldigungen und Enthüllungen zu stützen.
     
    Das war allerdings nichts Neues, und man konnte es ihm auch nicht sonderlich vorwerfen. Im Grunde wandten viele Journalisten dieselben Methoden an, nur vielleicht auf nicht ganz so aggressive Art wie Vakirtsis. Doch unmittelbar danach fiel Logaras seinem Helden heimtückisch in den Rücken:
     
    Gerüchte und böse Zungen behaupten, diese von Vakirtsis’ gepflegten »Spezialkontakte« seien auch den Firmen zugute gekommen, deren offener oder stiller Teilhaber er war. Solche »Spezialkontakte« sicherten, über die Androhung journalistischer Enthüllungen hinaus, diesen Firmen eine bevorzugte Behandlung. Aber das sind bloß Gerüchte. Indizien oder Beweise dafür sind bislang keine bekannt.
     
    Auf den ersten Blick schien mir Logaras ein wenig zu dick aufzutragen. Doch dann fiel mir ein, daß sich bisher alle seine Behauptungen als richtig erwiesen hatten. Verfügte Logaras über Indizien? Und wieso brachte er sie in diesem Fall nicht ans Licht der Öffentlichkeit? Wieso sagte er nicht geradeheraus, um welche von Vakirtsis’ – oder Favieros’ oder Stefanakos’ – Firmen es sich handelte, sondern stieß diffuse Verdächtigungen aus? Eine Antwort könnte sein: Er hatte zwar etwas aufgeschnappt, aber keine stichhaltigen Beweise. Eine zweite Antwort könnte lauten: Er hatte

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