Live!
mitnehmen?« Sie blickt mich unschlüssig an. »Ich habe das mit Frau Stathatou abgesprochen.«
»Ich weiß.«
»Sobald wir fertig sind, bringe ich ihn zurück.«
Sie läßt es sich durch den Kopf gehen und zuckt schließlich mit den Schultern. »Warum nicht? Schaden kann’s nicht.«
Sie geht in Stefanakos’ Arbeitszimmer, um den Laptop zu holen, und läßt die Tür offenstehen. Ich werfe einen Blick in sein Büro. Mit einem Schlag habe ich das Bild aus dem Fernsehen wieder vor Augen – die Tür mit den Messern, auf die sich Stefanakos aufgespießt hatte. Laut Moderator fand das Interview in Stefanakos Büro statt. Doch diese Tür sieht der in der Sendung gezeigten gar nicht ähnlich.
»Entschuldigen Sie, aber hat das Interview, das Stefanakos am Abend seines Selbstmordes gegeben hat, in diesem Büro stattgefunden?«
»Meinen Sie, ich wäre dann noch hier?« fragt sie schroff zurück. Doch sie fängt sich rasch und fügt etwas ruhiger und freundlicher hinzu: »Nein, Loukas hatte ein zweites Büro direkt unter der Werbeagentur STARAD , in der Vikela-Straße.«
Ich setze den Laptop auf dem Rücksitz des Mirafiori ab und nehme dann hinter dem Steuer Platz, um mich und meine Gedanken etwas zu sammeln. Favieros und Stefanakos verhielten sich janusköpfig. Die ausländischen Arbeiter ließen nichts auf Favieros kommen, da er ihnen unter die Arme griff, doch er scheffelte eine Menge Schwarzgeld mit Hilfe der Wohnungen und Häuser, die er ihnen überteuert verkaufte. Die Leute aus Stefanakos’ Wahlkreis schleppten Blumengebinde in sein Büro, um sein Andenken zu ehren, aber er benutzte seinen mächtigen Einfluß nur dazu, den Firmen seiner Ehefrau Vorteile zu verschaffen.
Auf einmal kommt mir ein neuer Gedanke. Doch anstatt mich darüber zu freuen, schaudert es mich. Was, wenn die Selbstmorde keinerlei direkten Bezug zu irgendwelchen Skandalen hätte? Wenn jemand wüßte, was Favieros, Stefanakos und Vakirtsis hinter der wohlanständigen Fassade trieben, und beschlossen hätte, Gerechtigkeit walten zu lassen und sie zu bestrafen?
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Rechner, der = jmd. der in bestimmter Weise rechnet bzw. rechnen kann; a) Mathematiker, Arithmetiker, Rendant, Rentmeister; b) Buchhalter, Kassierer, Registrator, Statistiker, Feldmesser; c) ein nüchterner R. sein (nüchtern kalkulieren); ein guter R. (Geschäftsmann, Egoist, Wucherer, Halsabschneider, Beutelschneider, Mammonsknecht, Profithyäne, Blutsauger, Vampir).
Ich habe natürlich nicht erwartet, in Dimitrakos’ Wörterbuch aus dem Jahr 1954 die moderne Bedeutung des Wortes Rechner = elektronisches Rechengerät, Computer zu finden. Zudem waren die ersten elektronischen Rechenmaschinen, die in Griechenland auf den Markt kamen, keine Computer, sondern Taschenrechner, die von den Griechen zärtlich »Minicomputer« genannt wurden. Wie auch immer, ich glaube, daß die ersten beiden von Dimitrakos angeführten Bedeutungen auch auf den heutigen Rechner passen. In neun von zehn Fällen dient er in Apotheken, Werkstätten oder Servicezentren als Rechenmaschine. »Der Computer ist der klügste Trottel, den Sie sich vorstellen können«, hat mir einmal ein Techniker der Spurensicherung gesagt. »Es kommt darauf an, wie Sie ihn benützen.« Und da ich wußte, wie ich ihn benützen würde, hielt ich mich von ihm fern.
Jedenfalls liefert Dimitrakos unter Punkt c) eine Interpretation, die zwar nicht auf den PC , aber möglicherweise auf alle drei Selbstmörder paßt. So stellt es sich zumindest auf den ersten Blick dar.
Die Versuche Koulas und ihres Cousins Spyros, den Code des Handelsregisters zu knacken und die Unternehmen zu finden, die Vakirtsis zur Gänze oder zum Teil gehörten, haben noch kein Ergebnis gezeitigt. Zudem habe ich sie unterbrochen, da ich inzwischen Stefanakos’ Laptop mitgebracht hatte und es vorzog, den zuerst durchsuchen zu lassen.
Nun sitze ich in der Küche auf glühenden Kohlen und versuche mich mit Dimitrakos über die Wartezeit hinwegzutrösten, während ich auf die ersten Erkenntnisse zu Stefanakos’ Rechner warte. Die Küche stinkt penetrant nach Essig, da Adriani Okraschoten zubereitet und die Theorie vertritt, daß sie durch Einweichen in Essig nicht »zusammenpappen«.
Als ich Koulas Schritte vernehme, hebe ich den Blick vom Wörterbuch. Sie holt mich ins Wohnzimmer, um mir die Ergebnisse der Recherchen zu erläutern. Der Cousin hat den Bildschirm von Koulas PC an den Rand geschoben und beugt sich über Stefanakos’ Laptop.
»Erklär du es,
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