Live!
Spyrakos, du kannst das besser«, meint Koula.
Spyrakos hält es nicht für nötig, seinen Blick vom Bildschirm zu lösen. »Also, er hat Wipe installiert.«
»Was für ein Ding?«
» Wipe , ein Löschprogramm.«
Alle seine Antworten sind knapp bemessen, und sein Blick klebt am Bildschirm. Er geht mir auf die Nerven, aber ich halte mich zurück, sowohl weil ich Koula nicht beleidigen will, als auch weil er sich unentgeltlich zur Verfügung stellt.
»Sieh mal, wenn ich Löschen höre, dann denke ich zuerst an Feuer, dann ans Licht und dann an Durst«, sage ich ruhig. »Kannst du mir das ein wenig genauer verklickern?«
Zum ersten Mal hebt er den Kopf und sieht mich mit einem Blick an, der zwischen Staunen und Geringschätzung pendelt. Doch da Koula neben mir steht, beißt er sich auf die Lippen, um keine Grobheit zu äußern.
»Wenn man eine Datei in den Papierkorb wirft, dann ist sie nicht endgültig gelöscht«, erläutert er langsam und geduldig. »Sie bleibt auf der Festplatte gespeichert, und man kann sie auf diverse Arten wiederfinden. Es gibt jedoch Programme, die die Festplatte säubern und alles Weggeworfene endgültig löschen. Die kann man je nach Bedarf starten oder so programmieren, daß sie automatisch arbeiten. Wenn es ein solches Programm gibt, dann kann man auf der Festplatte nur die Dateien finden, die nach dem letzten Einsatz des Programms gelöscht wurden.«
»Und Stefanakos hatte ein solches Programm auf dem Computer.«
»Ja, und er hatte es so eingestellt, daß es alle drei Tage aktiv wurde.«
»Das heißt also, daß wir nichts mehr finden.«
»Sieht ganz so aus.«
Ich blicke Koula ernüchtert an: »Fehlanzeige.«
Sie scheint meine Enttäuschung nicht zu teilen, denn sie lächelt mir spitzbübisch zu. »Nicht ganz. Wir haben einige andere Dinge gefunden, die von Interesse sind.«
»Zum Beispiel?«
»Das Gute an Stefanakos war, daß er alles aufgezeichnet hat. Lesen Sie mal.«
Sie drückt auf einige Tasten, und auf dem Bildschirm öffnet sich eine Reihe bunter Notizzettel. Sie erinnern mich an die Rückseite der Zigarettenschachteln der Marke »Ethnos«, auf denen mein Vater alles aufschrieb, was er noch zu erledigen hatte. Und alle naselang schlug er sich an die Stirn und rief: »Mannomann, das hatte ich auf die weggeworfene Zigarettenschachtel notiert!« Heute gibt es die Marke »Ethnos« nicht mehr, die Zigaretten befinden sich in Päckchen, und die Computer haben die Zigarettenschachteln ersetzt. Ich beuge mich vor und lese eine Notiz nach der anderen durch.
A. verlangt Unsummen. L. weigert sich. Sie sagt, sie habe bislang ein Vermögen an M. bezahlt. Da hat sie nicht unrecht.
Das Gute ist, daß alle Notizen datiert sind. Diese hier stammt vom 10. Mai, als ich noch im Krankenhaus lag. In einer anderen vom 12. Mai schreibt er:
Habe mit M. gesprochen. Er sagt was ganz anderes als A. Ich muß unbedingt mit K. reden.
Dann folgen zwei oder drei, die auf den ersten Blick nichts damit zu tun haben, und dann eine weitere vom 20. Mai:
K. lehnt glatt ab. Er sagt, sein Posten stehe auf dem Spiel.
Und am 22. Mai:
Habe gestern A.s Sendung gesehen. Reinste Erpressung. Ich muß mit dem Sender sprechen und einen Journalisten überreden, ein Interview mit mir zu führen, damit ich darauf etwas entgegnen kann.
Erneut treten einige zusammenhanglose Notizen dazwischen. Dann folgen zwei aufeinanderfolgende Einträge:
Woher ist die Person plötzlich aufgetaucht? Und was will sie? Sie behauptet, unerschütterliche Beweise zu haben. Wahrscheinlich blufft sie.
Und am 3. Juni:
Sie will mir die Beweise schicken und verlangt exorbitante Dinge. Die Menschheit ist total verrückt geworden. J. hat mir gesagt, daß er M. gegenüber nicht ablehnen kann.
A. weiß viel, und er hat Angst vor ihm.
Ich lese die Notizen nochmals durch und versuche herauszufinden, wohin sie mich führen. Zunächst einmal besteht kein Zweifel, daß A. Vakirtsis sein muß. L. ist vermutlich Lilian Stathatou, Stefanakos’ Ehefrau, und J. kann niemand anderer sein als Jason Favieros. Wer M. und K. sind, ist mir allerdings schleierhaft.
Daraus ergeben sich in groben Zügen die ersten Schlußfolgerungen: Erstens, Vakirtsis hat Stefanakos unter Druck gesetzt, damit er seinen Firmen entgegenkommt. Daraufhin hat Stefanakos seine Ehefrau und diesen K. unter Druck gesetzt, der ein hochstehendes Regierungsmitglied, wahrscheinlich ein Minister ist. Zweitens, Jason Favieros hatte Angst
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