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Live!

Live!

Titel: Live! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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Reihenfolge an: zuerst Gikas, dann mich.
    »Was gibt’s?« fragt er.
    Gikas wirft mir einen Blick zu und überläßt mir die Initiative.
    »Sag mal, Nikos. Hast du von einer politischen Gruppierung namens Unabhängige Widerstandsbewegung Che gehört, die zu Zeiten der Diktatur aktiv war?«
    Er denkt kurz nach. »Jannelis?« fragt er dann.
    »Ja. Kennst du ihn?«
    »Nicht persönlich. Ich weiß nur, was die Kollegen früher über ihn sagten.«
    »Was denn?«
    »Sie sind vor Respekt fast aufgestanden, wenn sein Name fiel. Anscheinend zählte Jannelis zu den wenigen, die man achtet, obwohl man sie bekämpft.«
    »Weißt du, wer sonst noch der Gruppierung angehörte?«
    »Ich weiß nur von Jannelis, mehr kann ich darüber nicht sagen. Die wurden von der Militärpolizei gefaßt. Und die Archive der Militärpolizei sind in Keratsini in Flammen aufgegangen. Von denen wüßte ich nur etwas, wenn sie ihre Tätigkeit auch nach der Junta fortgesetzt hätten.«
    »Was sie nicht getan haben?«
    »Nicht unter diesem Namen. Das wüßten wir.«
    »Und wenn sie einen anderen Namen benutzt hätten?«
    Er zuckt die Achseln. »Das kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Der Terrorismus ist ein unentwirrbares Knäuel von Namen und Personen, wie du weißt. Das einzige, was ich dir sagen kann, ist: Jannelis ist nach der Junta von der Bildfläche verschwunden und hat jeden Kontakt mit seinen alten Mitstreitern abgebrochen. Die Gründe kennen wir nicht, aber anscheinend hat er sich für einen ruhigen Lebensabend entschieden. Ob dann andere aus der Gruppe weitergemacht haben, kann ich nicht sagen, weil wir nicht wissen, wer zu Juntazeiten dazugehörte.«
    Sieh mal einer an! Sissis verfügt über ein besseres Archiv als die Antiterrorabteilung, sage ich mir. Schade, daß die Sicherheitspolizei nicht mit den verdeckt operierenden Kräften der Kommunistischen Partei Griechenlands fusionieren konnte. Dann wären wir jetzt unschlagbar.
    Es gibt nichts weiter zu besprechen, und ich erhebe mich. Stellas verabschiedet sich und geht zuerst hinaus. Ich bleibe an der Türschwelle stehen und wende mich zu Gikas um.
    »Ich hätte eine große Bitte. Kann die Putzaktion auf Ihrem Schreibtisch nicht warten, bis wir den Fall gelöst haben? Dann wird Koula wieder zu Ihnen zurückkehren.«
    Er blickt mich mit dem Gesichtsausdruck eines waidwunden Elchs an. »Seit Ihrer Rückkehr aus dem Genesungsurlaub sind Sie ein anderer Mensch«, bemerkt er. »Unerbittlich.«
    Ich weiß nicht, warum. Aber es freut mich, das zu hören.

48
    E in Journalist, der sich an die Stirn schlägt, ist ein äußerst befriedigender Anblick. Das nämlich tut Sotiropoulos, aus Entsetzen ob seiner Begriffsstutzigkeit.
    »Wie bin ich bloß darauf nicht gekommen!« ruft er aus. »Wie bin ich bloß darauf nicht gekommen! Mit dem Unsinn, den ich jeden Abend auf der Mattscheibe verzapfe, bin ich selbst schon ganz vernagelt!«
    »Kannten Sie die Gruppierung?«
    »Kommen Sie! Wir kannten jede Gruppe, jedes Grüppchen, sogar jedes winzigste Klüngelchen. Die konnten wir alle auswendig aufsagen, wie die Nationalhymne.«
    »Und wußten Sie, daß Favieros, Stefanakos und Vakirtsis Mitglieder bei Che waren?«
    »Na ja, mit Sicherheit wußte keiner etwas über den anderen. Aber es wurde so einiges getuschelt: Dieser gehöre der einen Gruppe an, jener der anderen, dieser und jener hätten Meinungsverschiedenheiten mit ihrer Gruppe gehabt und seien in eine andere übergewechselt. Die Leute selbst haben einem nichts erzählt, man hat sie auch nicht direkt gefragt. Man hatte alles aus zweiter Hand. Manches stimmte, manches war Humbug.«
    Ich nenne ihm die drei anderen Namen, und er denkt einen Augenblick nach. »Der Name Dimou sagt mir etwas«, meint er. »Die anderen beiden nicht. Alles hing natürlich davon ab, mit wem man verkehrte. Aufgrund der ganzen Geheimniskrämerei konnte es gut sein, daß man einige aus einer Gruppe kannte, weil sie dem eigenen Zirkel nahestanden, andere aus derselben Gruppe wiederum nicht, da sie nicht zum eigenen engeren Bekanntenkreis gehörten.«
    »Wissen Sie, wann Jannelis gestorben ist?«
    »Das genaue Datum kenne ich nicht, aber es muß an die zehn Jahre hersein.«
    »Wie ist er gestorben?«
    Er fixiert mich, bevor er antwortet. »Bleiben Sie sitzen«, sagt er. »Er hat sich umgebracht.«
    Da haben wir es: Meine Befürchtungen haben sich bestätigt. Ich hatte es im Gefühl, daß irgendein Geheimnis in der Vergangenheit lag, das alle und alles miteinander verband. Die Frage

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