Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Live!

Live!

Titel: Live! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
Vom Netzwerk:
Koralia Janneli um Thanos Jannelis’ Tochter handelt und daß es noch einen Bruder gibt, der unbekannten Aufenthalts ist.
    Er stellt mir die bereits klassische Frage: »Was haben Sie nun vor?« Doch an seinem Tonfall erkenne ich, daß er zufrieden ist.
    »Ich will vorerst mit Koralia Janneli sprechen.«
    Er ist einverstanden, und zehn Minuten später befinde ich mich in der Garage des Präsidiums. Ich fahre nicht über den Alexandras-Boulevard, sondern über die Alfiou- auf die Panormou-Straße, um das verkehrsreichste Stück zu meiden. Glücklicherweise ist es Ende Juni. Da die Aufnahmeprüfung für die Universität und andere Abschlußprüfungen vorbei sind, hält sich der Straßenverkehr in Grenzen. Eine Viertelstunde später parke ich vis-à-vis der Ejialias-Straße 54.

49
    D ie Janneli läßt mich warten. Sie schützt wichtige Geschäfte vor. Schon eine halbe Stunde sitze ich nun im Vorzimmer – wie ein Patient, der auf seinen Arzt, oder wie ein Bürger, der auf den Abgeordneten seines Wahlbezirks wartet. Ich fühle mich unwohl, das verbindet mich mit Jannelis Sekretärin, der ein Bulle auf der Pelle auch nicht gerade angenehm ist. Ich könnte gehen und sie offiziell ins Präsidium vorladen, doch die sanfte Tour hat sich noch immer bewährt. Und ich will nicht gerade jetzt, wo sich ein erster Hoffnungsschimmer zeigt, davon absehen.
    Sie empfängt mich nach gut einer Stunde, fordert mich jedoch nicht auf, Platz zu nehmen. »Diese Geschichte muß ein Ende haben, Herr Kommissar«, sagt sie mit eisiger Stimme. »Sie haben mich wiederholt aufgesucht, Sie haben mir – ohne dafür überhaupt zuständig zu sein – an den Haaren herbeigezogene Fragen über die Firmen unserer Unternehmensgruppe gestellt. Ich habe alles beantwortet – sei es, weil wir nichts zu verbergen haben, sei es, weil ich eine gesetzestreue Staatsbürgerin bin. Ich habe jedoch nicht vor, dieses Spiel fortzusetzen. Wenn Sie mich befragen wollen, so schicken Sie mir bitte eine offizielle Vorladung, damit ich meinen Rechtsanwalt benachrichtigen kann.«
    Sie ist mit ihrer mündlichen Protestnote zu Ende und erwartet, daß ich gehe. Aber ich rühre mich nicht vom Fleck.
    »Ich bin nicht hier, um über Ihr Unternehmen zu sprechen«, sage ich vollkommen ruhig.
    »Sondern?«
    »Über Ihren Vater, Thanos Jannelis.«
    Von Anfang an habe ich auf das Überraschungsmoment gesetzt und finde mich bestätigt. »Rollen Sie jetzt eine neue Geschichte auf?« fragt sie überrascht.
    »Nein, eine alte Geschichte, die bis in die Juntazeit und zu verschiedenen Widerstandsgruppen zurückreicht.«
    Sie überlegt, ob es sich lohnen könnte, von der harten Linie abzuweichen. Offenbar ja, denn sie bedeutet mir, auf dem Stuhl Platz zu nehmen.
    »Ihr Vater war während der Diktatur Mitglied einer oppositionellen Gruppierung namens Unabhängige Widerstandsbewegung Che. «
    Ich warte ihre Reaktion ab, bevor ich weitermache. Sie blickt mich mit einem gelassenen Lächeln an.
    »1967 war ich zwölf, Herr Kommissar. Meinen Sie, mein Vater hätte mit mir über oppositionelle Gruppierungen diskutiert?«
    »Nein, aber vielleicht hat er später, nach dem Fall der Junta, mit Ihnen darüber gesprochen.«
    »Mein Vater hat nie über seine politischen Aktivitäten gesprochen. Und zwar zu unserem Schutz. Er sagte immer, man wisse nicht, wie sich die Dinge entwickeln würden, und die Familie müsse abgeschirmt bleiben.« Sie hat ihre Selbstbeherrschung wiedererlangt und lächelt gefaßt.
    »Derselben Gruppierung wie Ihr Vater gehörten auch Jason Favieros, Loukas Stefanakos und Apostolos Vakirtsis an.«
    »Das ist mir neu.« Es scheint sie zu beeindrucken, aber vielleicht spielt sie nur die Überraschte. Bei der Janneli weiß man nie so genau.
    »Nun gut, Ihr Vater hat nicht über den Widerstand gesprochen. Und auch von Favieros haben Sie nichts darüber gehört?«
    »Ein einziges Mal, bei meinem Einstellungsgespräch. Er sagte, er habe meinen Vater während der Juntazeit kennengelernt.«
    »Haben Sie nicht nachgefragt, wie und wo?«
    Sie zuckt mit den Schultern. »Nein. Meinen Vater kannten so viele Leute, daß es keinen Sinn hatte, jedesmal nachzufragen. Möglicherweise hat die Bekanntschaft mit meinem Vater den Ausschlag gegeben, daß Jason mich eingestellt hat. Jasons ganzer engster Mitarbeiterstab setzte sich aus Bekannten zusammen, die er während der Junta und der Studentenkämpfe kennengelernt hatte. Nicht nur Xenofon Samanis, auch Theoni, seine Privatsekretärin, Samanis’

Weitere Kostenlose Bücher