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Live!

Live!

Titel: Live! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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und laß den Herrn aussteigen.«
    Der ganze Bus starrt mich neugierig und forschend an. Als ich mich zum Aussteigen anschicke, kann sich die Dicke nicht mehr zurückhalten und formuliert die kollektive Frage.
    »Sind Sie Journalist?«
    »Würde ich dann mit dem Bus anreisen?«
    Meine Antwort macht sie mundtot. »Entschuldigen Sie«, stottert sie und wird rot, als hätte sie mich mit ihrer Vermutung beleidigt.
    Ich biege nach rechts ein, und fünfhundert Meter weiter stoße ich auf den Palast. Alles sieht so aus, wie es die Dicke beschrieben hat, nur bezüglich der Ausmaße des Gartens hat sie untertrieben. Der erstreckt sich über gut fünf Stremma und steigt zu einer zweistöckigen Villa mit Veranden unterschiedlicher Größe hin an. Davor erhebt sich ein kleiner Hügel, auf dem weiße Tische, Stühle und Sonnenschirme stehen, als besitze Familie Favieros ein Café für den eigenen Bedarf direkt vor der Haustür. Die ganze Anlage ist von einer Mauer umgeben, die rund um die Uhr durch Kameras überwacht wird. Ins Innere sieht man nur vom hohen schmiedeeisernen Eingangstor aus.
    Ein Gärtner sprengt gerade den Rasen.
    »Kann ich was fragen?«
    Er hört meine Stimme, schließt den Wasserhahn und kommt auf mich zu.
    »Kommissar Charitos. Ich würde gerne mit Frau Favierou oder mit einem der Kinder sprechen.«
    »Sind nicht da«, entgegnet er kurz.
    »Wann kommen sie zurück?«
    Er hebt die Schultern. »Sind mit dem Schiff fort.«
    Seine Aussprache verrät, daß er kein Grieche ist, aber Albaner scheint er auch nicht zu sein.
    »Bist du Pontusgrieche?« frage ich.
    »Ja.«
    Sind sie keine Albaner, dann sind sie Pontusgriechen aus der ehemaligen Sowjetunion. »Wann kommen die Herrschaften denn zurück?«
    »Weiß nicht. Fragen Sie Herrn Ba, oben.«
    »Mach mir auf.«
    »Kann ich nicht. Drücken Sie Klingel, dann machen die oben auf.«
    Ich drücke die Klingel, wie er mir geraten hat.
    »Ja?«
    »Polizei«, sage ich schroff.
    Wenn man mit Ausländern zu tun hat, ist es am sichersten, das Zauberwort »Polizei« fallenzulassen. Entweder wird die Tür sofort geöffnet, oder es wird geschossen. Da letzteres im Hause Favieros eher unwahrscheinlich ist, weichen die schmiedeeisernen Türflügel langsam auseinander. Ich schaue mich nach einer Zahnradbahn ähnlich wie in Kalavryta um, die mich die fünfhundert Meter bis zum Haus hochfährt, doch vergeblich. Ich komme wohl nicht drum herum, die Treppenstufen am linken Rand des Gartens hochzuklettern. Auf halbem Weg bleibt mir die Luft weg, da ich durch Adrianis Ruhekur völlig eingerostet bin und meine Beine mir den Dienst versagen.
    Ganz schön schlau, dieser Favieros, denke ich mir während des Aufstiegs. Er hat seine Villa nicht in Ekali gebaut, damit man ihm nicht vorwerfen konnte, er hätte sich an das Establishment verkauft und wäre zu einem Finanzhai mutiert. Sondern er hat sie in Porto Rafti hingestellt, wo er sowohl sein fortschrittliches Image pflegen als auch das enorme Grundstück zu einem Spottpreis erwerben konnte.
    Oben, auf der Anhöhe mit dem Privatcafé, empfängt mich ein kleiner, dunkelhäutiger Asiate.
    »Was wünschen Sie?« fragt er mit hoher Stimme.
    »Bist du Ba?«
    »Ich bin Mister Barwan, der Butler«, entgegnet er förmlich. Und wiederum: »Was wünschen Sie?«
    Sieh mal einer an, sogar einen Kammerdiener hatte Favieros, obgleich er sich lässig gab – mit Dreitagebart, zerknittertem Hemd und Jeans. Wer weiß, vielleicht hatte sich aber der Thai selbst zum Butler ernannt, um sein Licht nicht unter den Scheffel zu stellen.
    »Was wünschen Sie?« fragt er nochmals, um mir eine Kostprobe seiner asiatischen Duldsamkeit zu geben.
    »Die Herrschaften sind verreist?«
    »Sehr wohl. Frau Favierou, Fräulein Favierou und der junge Herr Favieros sind nach dem Begräbnis mit der Jacht verreist.«
    »Und wann kommen sie zurück?«
    »Das weiß ich nicht.«
    Er hat zwar einen Akzent, aber er spricht korrektes Griechisch, als hielte er eine Grammatik in der Hand und sähe jedesmal nach, wo er Subjekt, Verb und Objekt plazieren sollte. Mir kommt der Gedanke, ihn zu fragen, wie ich mit Favieros’ Frau in Verbindung treten könne, doch ich verwerfe ihn wieder, da ich sie möglicherweise in Aufregung versetze und sie daraufhin bei der Polizei anruft. Dann würde meine geheime Mission platzen. Daher beschließe ich, mich auf das Hauspersonal zu beschränken.
    »Ich will dir ein paar Fragen stellen.«
    »Ich darf nicht antworten. Ich habe keine Erlaubnis.«
    Ich messe

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