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Live!

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Titel: Live! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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seinem Einwand keine Bedeutung bei und fahre fort: »War Herr Favieros in der letzten Zeit irgendwie verändert? War er niedergeschlagen, schlecht gelaunt?«
    »Ich darf nicht antworten. Ich habe keine Erlaubnis.«
    »Ich will ja keine Geheimnisse wissen. Nur, ob er anders war als sonst. Nervös, zum Beispiel.«
    »Ich darf nicht antworten. Ich habe keine Erlaubnis.«
    Ich strecke die Hand aus, packe ihn am Arm und schleife ihn hinter mir her.
    »Wohin wollen Sie mit mir?« fragt er überrascht. »Ich habe eine Aufenthaltsgenehmigung und eine Arbeitserlaubnis, ich zahle Sozial- und Krankenversicherung. Ich bin nicht illegal. «
    Endlich ein Wort, bei dem er sich mit Englisch behelfen muß. »Ich nehme dich mit zur Polizei, zum Verhör«, sage ich ruhig. »Und wenn du mir nicht antworten willst, weil du keine Erlaubnis hast, dann kommst du in den Knast, bis deine Herrschaft zurückkehrt und dir die Erlaubnis erteilt.«
    »Herr Favieros war unverändert«, sagt er mit allergrößter Zuvorkommenheit, als hätte es kein Vorspiel gegeben. »Er war wie immer.«
    Ich halte ihn nach wie vor am Arm fest, damit wir den Körperkontakt nicht verlieren. »Hatte sich möglicherweise etwas anderes verändert? Seine Arbeitszeiten etwa? Ist er am Abend später nach Hause gekommen?«
    »Er ist zwischen elf und halb zwölf heimgekommen. Später? Doch –«, ergänzt er und hält plötzlich inne, als erinnere er sich an etwas.
    »Was?«
    »Er ist morgens später weggegangen. So gegen zehn.«
    »Wann ist er normalerweise aufgebrochen?«
    »Um halb neun … Um neun …«
    Was hatte das zu bedeuten? Wer weiß. Vielleicht war er einfach müde und wollte etwas länger schlafen. »Wer ist sonst noch im Haus?«
    »Zwei Zimmermädchen. Tanja und Nina.«
    »Bring sie her. Ich will mit ihnen sprechen.«
    Er geht zur Verandatür und ruft die beiden Namen hinein. Flugs erscheinen zwei hellblonde Frauen, die eine sehr hochgewachsen, die andere mittelgroß, in blauen Arbeitskitteln und weißen Schürzen. Beide sind offenkundig Ukrainerinnen. Wenn, so sage ich mir, bereits Favieros’ Hauspersonal einen Großteil der Vereinten Nationen umfaßt, wer weiß, was sich dann auf seinen Baustellen abspielt.
    Ich stelle den Ukrainerinnen dieselben Fragen wie dem Thai und erhalte auch dieselben Antworten. Das heißt, auf den ersten Blick zumindest war dem Dienstpersonal an Favieros nichts Ungewöhnliches aufgefallen.
    »Um wieviel Uhr ist Herr Favieros in der letzten Zeit zur Arbeit gegangen?« frage ich die beiden Zimmermädchen.
    »Ich habe es Ihnen doch schon gesagt. So gegen zehn«, fährt der Butler dazwischen, dem es nicht paßt, daß ich seine Auskünfte an seinen Untergebenen nachprüfe.
    »Er hier arbeiten«, fügt die Mittelgroße hinzu.
    »Woher willst du das wissen?« fragt der Butler, als wolle er sie zurechtweisen.
    »Ich putzen zweite Stock und gesehen«, entgegnet die Ukrainerin. »Er arbeiten Computer.«
    »Zeig mir doch mal, wo«, sage ich zu ihr. Nicht daß ich hoffe, große Entdeckungen zu machen, aber es ist eine gute Gelegenheit, sich im Haus umzusehen.
    Die Ukrainerin führt mich durch ein Wohnzimmer mit einem teuren Marmorfußboden und wenigen, aber edlen Designermöbeln. Dann gehen wir über eine Wendeltreppe in das obere Stockwerk, und sie öffnet eine schräg gegenüberliegende Tür. Das Büro ist weitläufig, und eine breite Glasfront geht auf den Garten hinaus. Auch hier stehen ausgesucht wenige Möbelstücke: der Schreibtisch mit Ledersessel, davor ebenfalls zwei Lederfauteuils. Zwei Wände sind bis oben hin mit Büchern zugestellt. Auf dem Schreibtisch thront ein riesiger, schwarz gähnender Computerbildschirm. Die Oberfläche des Schreibtisches sieht haargenau so aus wie bei Gikas: blitzblank und ohne ein einziges Blatt Papier. Ich werfe einen flüchtigen Blick auf die Bücherregale und stelle fest, daß Favieros’ Bücherauswahl irgendwo zwischen der KNE , der moskautreuen Kommunistischen Jugend Griechenlands, und Rigas Fereos, dem Jugendbund der Eurokommunistischen Partei, stehengeblieben ist. Schriften über Geschichte, Wirtschaft und Philosophie, eine großformatige Gesamtausgabe der Werke von Marx und Engels in englischer Sprache, Monographien über die Geschichte der Arbeiterbewegung und des Kommunismus sowie eine Menge ökonomischer Schriften. Weder Aktenordner noch Dossiers befinden sich darunter.
    Dann gehe ich die Wendeltreppe wieder hinunter und stoße auf den Thai, der auf dem Treppenabsatz auf mich wartet. Die

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