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Live!

Live!

Titel: Live! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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ich meine Karten vor Janoutsos nicht aufgedeckt.«
    Gegen meinen Willen muß ich lächeln. »Ich sehe, daß Sie großes Vertrauen in ihn haben.«
    »Ich traue ihm überhaupt nicht, weder als Mensch noch als Polizist«, lautet die knappe Antwort. »Als ich Sie vorgestern sah, ist mir plötzlich eine Idee gekommen. Sie sind doch noch zwei Monate krank geschrieben, oder täusche ich mich?«
    »Sie täuschen sich nicht.«
    Er verstummt einen Augenblick und blickt mich an. Dann beginnt er zu sprechen, indem er sich von Wort zu Wort vorwärtstastet. »Was würden Sie davon halten, dem Fall Favieros sehr diskret nachzugehen? Zu sehen, welche Motive ihn zum Selbstmord bewegt haben könnten?« Er hält inne und fügt dann hinzu: »Im Endeffekt würden Sie damit Ihre Langeweile bekämpfen.«
    Ich brauche eine Weile, um seine Worte zu verdauen. Wer hätte gedacht, daß mich gerade Gikas erlösen würde? Daß er es wäre, der mich aus der Tristesse herausreißen und wieder ins Spiel bringen könnte? Ich versuche, meine Freude zu verbergen und möglichst nicht zu zeigen, daß er mir mit seinem Vorschlag einen Rettungsring zuwirft. Denn wenn er das merkt, wird er es die nächsten zehn Jahre lang weidlich ausnützen.
    »Tja«, meine ich säuerlich, als würde er mir einen Frondienst aufbürden. »Die Wahrheit ist, daß mir die Krankschreibung äußerst gelegen kommt. Wie Sie wissen, habe ich nicht oft in meinem Leben Urlaub genommen, und hier bietet sich eine gute Gelegenheit, das nachzuholen.« Ich füge noch ein Lächeln hinzu, um meine Position zu festigen, und erwarte, daß er mich nun zu überreden versucht und ich daraufhin schrittweise klein beigeben kann.
    Er blickt mich an, als wolle er mein profile erstellen, wie man es ihm während seines angeblichen Weiterbildungssemesters beim FBI beigebracht hat. Ich bleibe bei meinem bestärkenden Lächeln.
    »Janoutsos wird bleiben«, sagt er abrupt.
    Er hat es geschafft, mich zu überraschen und mir den Wind aus den Segeln zu nehmen. »Wo wird er bleiben?« frage ich stumpfsinnig.
    »Er wurde als ständiger Mitarbeiter in die Mordkommission geholt. Unter dem Vorwand Ihrer schweren Verwundung und Ihrer langen Krankschreibung will man Sie in eine weniger aufreibende Abteilung versetzen und Janoutsos soll Ihre Stelle einnehmen.«
    Mit einem Schlag sehe ich den Gesichtsausdruck meiner beiden Assistenten in der Wohnung der Kurden vor mir. Deswegen haben sie sich von mir ferngehalten. Es hat sich schon herumgesprochen, daß Janoutsos für meine Stelle vorgesehen ist, und sie nehmen sich in acht, um keine Scherereien zu bekommen.
    »Ich habe Ihnen schon gesagt, er sitzt sehr fest im Sattel, und ich kann nichts dagegen tun«, fährt Gikas fort. »Aber wenn Sie Favieros’ Selbstmord auf den Grund gehen, dann kann ich mich für Sie verwenden und sagen: ›Na bitte, nur Charitos ist mit dem Fall zu Rande gekommen, ohne ihn geht es einfach nicht‹, und man wird es nicht wagen, ihn auf dem Posten zu belassen.«
    Warum habe ich mich bloß so geziert? Jetzt wird er sich den Gefallen, den er mir erweist, doppelt und dreifach zurückerstatten lassen. »Und wenn ich nicht damit zu Rande komme?« Ich frage mich, ob meine Stimme die Prüfungsangst verrät.
    »Sie werden damit zu Rande kommen.« Die Antwort klingt kategorisch, ohne die Spur eines Zweifels. »Hinter diesem Fall verbirgt sich etwas, und nur Sie können das herausfinden.«
    »Warum denn nur ich?«
    »Weil Sie ein verdammter Dickkopf sind.«
    Seine Offenheit ist entwaffnend. Er hält kurz inne und fährt dann leicht gepreßt fort: »Nur kann ich Ihnen weder einen Ihrer Assistenten zur Verfügung stellen noch einen anderen Kollegen aus dem Präsidium. Dann würden alle wissen, welchen Plan wir verfolgen, und ich würde mein Gesicht verlieren.«
    Er hat recht, aber wie soll ich allein zurechtkommen?
    »Ich kann Ihnen Koula schicken. Sie ist der einzige Mensch, dem ich blind vertraue. Ich erkläre ihre Mutter in Kosani für todkrank und beurlaube Koula unter dem Vorwand der Krankenpflege.«
    »Und Sie?« frage ich überrascht. »Koula ist doch Ihre rechte Hand.«
    Er zuckt mit den Schultern. »Dann werde ich mich eben eine Weile mit der Linken behelfen«, entgegnet er vage.
    »In Ordnung«, antworte ich, doch die Freude ist mir dadurch vergällt, daß mein Posten auf dem Spiel steht.
    Nachdem er mir die Zustimmung entlockt hat, erhebt er sich erleichtert und mit einem breiten Lächeln. Ich blicke ihn an und frage mich, wer wohl in unseren

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