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Live!

Live!

Titel: Live! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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ich mich in meine Anfangsjahre bei der Polizei zurückversetzt fühle. Sobald ich damals den Aufschrei »Charitos!« aus einem Büro hörte, stolperte ich fast über meine eigenen Beine, so schnell wollte ich zu Diensten sein.
    »Deine neue Assistentin!«
    Die Eingangstür ist offen, und davor steht ein kleiner Bus. Aus seiner Mitteltür taucht Koula mit einem Monitor unter dem Arm auf. Ein junger Mann Anfang Zwanzig folgt ihr mit dem Computergehäuse.
    »Laß ihn hier stehen, Spyrakos, und geh das Tischchen holen«, sagt Koula zu ihm.
    Gleich zwei Dinge überraschen mich, und ich weiß nicht, welchem ich zuerst meine Aufmerksamkeit zuwenden soll. Zunächst einmal hatte ich nicht erwartet, daß sie mit einem Computer auftauchen würde, und zweitens sehe ich eine veränderte Koula vor mir. Sie trägt Jeans und T-Shirt, hat ihr Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden und keinerlei Ähnlichkeit mit dem uniformierten Mannequin, das mich jeweils in Gikas’ Vorzimmer begrüßte. Sie sieht aus wie eine ganz normale junge Frau, die noch in der Ausbildung steht oder in irgendeiner Firma arbeitet.
    Die zweite Überraschung ist schneller verdaut als die erste. »Was sehe ich da, Koula? Der Chef hat Ihnen sogar einen Computer mitgegeben?«
    Sie bricht in Gelächter aus. »Aber nein, Herr Charitos, schön wär’s! Er gehört meinem Cousin Spyros, der Computertechnik studiert. Er hatte einen übrig und ihn mir überlassen.«
    Besagter Spyros kommt mit dem Computertischchen an. »Spyrakos, den Rest mach ich allein«, sagt Koula sanft. »Das hier ist Kommissar Charitos.«
    Der junge Mann würdigt mich kaum eines Blickes und preßt gerade mal ein »Hallo« hervor. Dann geht er zum Lieferwagen. Offensichtlich kann er Bullen nicht leiden. Koula blickt hinter ihm her und fängt an zu lachen.
    »Er ist der Sohn der Schwester meiner Mutter«, erklärt sie. »Es hat eine Weile gedauert, bis er eine ›Polypin‹ in der Familie akzeptiert hat.« Dann deutet sie auf den Computer und das Tischchen. »Können wir das irgendwo unterbringen?«
    »Was sollen wir denn mit dem Computer, Koula?«
    »Also hören Sie mal! Wenn wir wie Inspektor Cluzot vorgehen, dann haben Sie weder getippte Berichte noch Zeugenaussagen oder Archive zur Verfügung. Wie aber wollen Sie sich an alles erinnern, was Sie gesehen und von Zeugen gehört haben?«
    Sie hat recht, aber ich weiß nicht, wie ich Adriani dazu bringen soll, uns für den Computer Platz zu schaffen. Sie wird uns, ohne mit der Wimper zu zucken, auf den Dachboden verfrachten.
    Ich finde sie in der Küche vor, wo sie das morgendliche Kaffeegeschirr spült.
    »Wo können wir einen Computer hinstellen, den wir für unsere Arbeit brauchen?« frage ich.
    Sie trocknet die Hände am Geschirrtuch ab und schreitet ins Wohnzimmer. Wortlos rückt sie den geschnitzten Holzsessel mit dem bestickten Sitzpolster, den sie von ihrer Mutter geerbt hat, ein Stückchen nach rechts. Dann rückt sie das Regal mit der Vase, das ich von meiner Mutter geerbt habe, ein Stückchen nach links. Dadurch schafft sie genügend Raum, um den Computer samt Tischchen abzustellen. Danach macht sie sich auf den Rückweg in die Küche, doch an der Wohnzimmertür trifft sie auf Koula, die mit einem schüchternen Lächeln auf der Schwelle wartet.
    »Guten Tag, Frau Charitou. Ich bin Koula«, sagt sie.
    »Guten Tag, mein Kind.«
    Ob Adriani jemanden gut oder gar nicht leiden kann, ist an ihren Lippen abzulesen. Wenn sie jemanden sympathisch findet, dann sind ihre lächelnden Lippen voll. Je weniger sie ihn leiden kann, desto stärker preßt sie die Lippen aufeinander. In Koulas Fall sind sie fast nicht mehr zu sehen.
    Koula lächelt nach wie vor, als hätte sie ihren Gesichtsausdruck nicht bemerkt. Ich aber fahre fast aus der Haut. Im Endeffekt trifft die junge Frau keine Schuld, wenn ich mich wieder unters arbeitende Volk mische. Während Koula den Computer anschließt, informiere ich sie über meine gestrigen Besuche in Favieros’ Privathaus und Baufirma. Als ich ihr erzähle, daß sich Favieros in der letzten Zeit morgens verspätete, weil er zu Hause am Computer arbeitete, unterbricht sie ihre Tätigkeit.
    »Wie könnte ich es anstellen, einen Blick auf seinen Computer zu werfen?« fragt sie.
    »Ich glaube nicht, daß der Butler das zuläßt, bevor die Familie zurückgekehrt ist. Aber was soll denn Favieros’ Computer anderes aufweisen als Baupläne und statische Berechnungen?«
    »Das kann man nicht wissen, Herr Charitos. So wie sich die

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