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Live!

Live!

Titel: Live! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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Motor zu starten, knurrt er ein wenig. Dann verstummt er. Beim vierten Versuch aber macht er zwei Bocksprünge, die uns beinahe durch die Windschutzscheibe schleudern, und springt ächzend an.
    Die Büros der DOMITIS AG befinden sich in der Timoleontos-Straße, in der Nähe des Ersten Athener Friedhofs. Ich freue mich, daß sie nicht weit von meiner Wohnung entfernt liegen und der Mirafiori nach zwei Monaten reglosen Wartens nicht überanstrengt wird. Doch meine Freude ist nur von kurzer Dauer. An der Kurve zum Vassileos-Konstantinou-Boulevard stoßen wir auf eine kompakte Blechlawine. Athen gleicht seit Beginn der Bauarbeiten für die Olympischen Spiele einem umgeackerten Feld. Diejenigen, die sich nicht beizeiten einen Traktor zugelegt haben, suchen nun ihre Rettung auf Straßen, die noch nicht aufgerissen wurden. Daher kommt es immer wieder zur völligen Lahmlegung des Straßenverkehrs. Ein Verkehrspolizist, der an der Mündung der Risari-Straße in den Vassileos-Konstantinou-Boulevard postiert ist, scheint uns durch sein wildes Fuchteln zum Teufel schicken zu wollen. Nicht, daß wir dadurch schneller vorankämen, aber vermutlich ist ihm unser Anblick dermaßen zuwider, daß er uns so schnell wie möglich loswerden will. Als ich gerade erleichtert aufatmen will, daß der Mirafiori den Stop-and-go-Verkehr so heldenhaft meistert, bleibt er vor der roten Ampel an der Diakou-Straße stehen. Der Motor ist abgestorben, und als die Ampel auf Grün springt, ist der Mirafiori durch nichts zum Losfahren zu bewegen. Die Wagen hinter uns hupen wie verrückt, Koula ist entnervt, weil sie den Motor bei jedem Anlauf noch schlimmer abwürgt, während alle Fahrer, die an uns vorüberziehen, uns auch noch den Vogel zeigen, was unsere Moral auch nicht gerade hebt.
    »Warten Sie, ich lasse den Motor an«, sage ich.
    Während ich verschiedene Tricks aus der Schublade zaubere, um ihn zum Anspringen zu bringen, bleibt nebenan ein Cabriolet stehen. Am Steuer sitzt ein junger Mann mit zu Berge stehenden Haaren, auf dessen T-Shirt ein Krokodilchen prangt. Früher haben wir uns die Kragen gestärkt, heutzutage die Haare.
    »Der alte Knacker kutschiert auch noch ’ne schicke Braut in so ’ner Schrottkiste herum!« ruft er mir verärgert zu. »Und wir im Cabrio fahren solo. So ein Glückspilz, der alte Sack!« Er gibt Gas und speit uns den ganzen Inhalt seines Auspuffs rachsüchtig ins Gesicht.
    Vor lauter Wut habe ich ganz vergessen, daß ich mit dem Mirafiori an der Ampel stehengeblieben bin. Ich werfe Koula einen schrägen Blick zu. Sie bemüht sich, ernst zu bleiben. Doch vergeblich, schließlich bricht sie in helles Gelächter aus.
    »In solchen Momenten kommt der Bulle in mir zum Vorschein, und ich würde am liebsten jeden festnehmen, der mir in die Quere kommt«, sage ich.
    »Kommen Sie, zeigen Sie doch ein wenig Verständnis.«
    »Wieso Verständnis?«
    »Haben Sie es denn nicht kapiert? Seine Freundin hat ihn sitzenlassen, und er läßt seine schlechte Laune an uns aus.«
    Diese Erklärung ist mir gar nicht in den Sinn gekommen und beflügelt mich dermaßen, daß ich den Schlüssel ganz zärtlich im Schloß drehe, worauf der Mirafiori spontan anspringt.

12
    I ch hatte einen modernen Bürokomplex aus dunklem Beton und spiegelnder Glasfassade erwartet, doch nun stehe ich vor einem dreistöckigen neoklassizistischen Gebäude, das offenbar kürzlich renoviert wurde. Der moderne Bürokomplex befindet sich dahinter. Zunächst kann ich zwischen den beiden Gebäuden keine Verbindung ausmachen, doch als ich sie von der Seite betrachte, entdecke ich eine kleine Glasbrücke, die den neoklassizistischen mit dem modernen Teil verbindet. Das soziale Versteckspiel, das Jason Favieros betrieb, wird durch das Äußere seines Unternehmens bestätigt. Er wollte nicht mit den Finanzhaien in Ekali in Verbindung gebracht werden, doch seine Villa in Porto Rafti ist die eines Finanzhais. Er zog einen neoklassizistischen Bau dem modernen Bürokomplex vor, doch dahinter verbirgt sich das hochmoderne Bürohaus. Er lief stets in zerknitterten Kleidern und ohne Krawatte umher – doch seine Klamotten stammten von Armani. An all dem erkennt man die falsche Scham der Linken für ihre Reichtümer, sie würden sie am liebsten hinter einem Feigenblatt verstecken. Nicht etwa, damit die anderen sie nicht sehen, sondern damit sie selbst sie nicht sehen. Vielleicht ist auch das Trauma der Illegalität daran schuld, das sie dazu bringt, das Versteckspiel von damals

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