Live!
Olympischen Dorf einen Besuch abstatten.«
Ich lasse sie zu Hause zurück und fahre los. Der Mirafiori glüht vor Hitze, obwohl er im Schatten gestanden hat. Als ich zur Kreuzung am Vassileos-Konstantinou-Boulevard komme, frage ich mich, ob es besser wäre, links zum Syntagma-Platz abzubiegen oder rechts zum Vassilissis-Sofias-Boulevard und dann über die Soutsou-Straße auf den Alexandras-Boulevard zu fahren. Als die Ampel auf Grün springt, entschließe ich mich für die zweite Möglichkeit und behalte recht. Mit dem Stau in der Soutsou-Straße hatte ich gerechnet, aber abgesehen davon ist die Straße frei.
Völlig verschwitzt – auch ohne besondere Verkehrsprobleme – gelange ich zur Patission-Straße. Dort begehe ich den großen Fehler, über die Nationalstraße zu fahren, um von Metamorfosi nach Menidi zu gelangen. Denn wir bleiben bei den Bauarbeiten auf der Attika-Ringstraße stecken. Ein Verkehrspolizist schickt uns einen Feldweg entlang, der aus der Zeit zu stammen scheint, als Metamorfosi noch voll von Viehställen war und überall Ziegen weideten. Ich brauche für eine Strecke von zweihundert Metern fast eine halbe Stunde, wobei ich drei Kubikmeter Staub einatme. Dabei schwitze ich Blut, da der Motor heißgelaufen ist und ich befürchten muß, daß der Mirafiori mitten auf dem Ziegenpfad den Geist aufgibt. Aber dann ist die Straße wieder frei, und der Verkehr rollt bis zur Abfahrt nach Thrakomakedones locker dahin.
Eine dreiviertel Stunde später treffe ich beim Olympischen Dorf ein. Ich steuere direkt auf die Kanalisationsarbeiten zu, welche die Firma DOMITIS durchführt, und suche nach Karanikas, dem Bauführer. Er hat sich mit ein paar Arbeitern angelegt, die in einem Graben hocken. Er nimmt mich zwar wahr, setzt jedoch unbeirrt seine Rede fort. Ich warte geduldig, bis er fertig ist, denn ich brauche ihn.
»Was wollen Sie mit den vertrockneten Brötchen, wenn es frische gibt?« ist sein erster Kommentar, als er auf mich zukommt.
»Was meinen Sie mit vertrockneten und frischen Brötchen?«
»Favieros ist ein vertrocknetes, Stefanakos ein frisches Brötchen.«
Sein Zynismus geht mir auf den Geist, am liebsten würde ich ihn mit Fußtritten zur Räson bringen. »Finden Sie es lustig, daß sich Leute vor aller Augen umbringen?« frage ich, während ich meine Stimme mühsam unter Kontrolle halte.
Er zuckt mit den Schultern. »Soll ich sie bedauern, weil sie mit dem Sender unter einer Decke stecken?«
»Wieso mit dem Sender?«
Er wiederholt, fast wortgetreu, Adrianis Argument. »Kommen Sie schon, erzählen Sie mir nicht, Sie hätten nicht gemerkt, daß der Sender sie zum Selbstmord bringt, damit sie die Zuschauerzahlen in die Höhe treiben und von den Werbeeinnahmen profitieren! Und Sie wollen Polizist sein?!«
»Ein Unternehmer und ein Politiker sollten sich umbringen, weil der Sender es so will?«
»Haben Sie denn nicht gehört, worum es geht? Um einen Politskandal! Ich sage Ihnen – und niemand soll kommen und was anderes behaupten: Der Sender hat davon Wind bekommen und sie erpreßt. Und er ging dabei so weit, daß sie sich umgebracht haben und der Sender die Exklusiv-Bilder ausstrahlen konnte. Haben Sie gesehen, was oben, seitlich, links auf dem Bildschirm geschrieben steht? Exklusiv-Bilder! Klickt es da bei Ihnen nicht?«
Gut, daß Adriani nicht hier ist und die ausgefeilte Version der Theorie hört. Sie würde mich als völlig unfähig hinstellen.
»Vergessen wir mal das Fernsehen. Ich möchte Sie etwas anderes fragen.«
»Fragen Sie, aber kurz und bündig, wir haben hier noch was zu tun.«
»Beim letzten Mal haben Sie mir gesagt, Favieros hätte die ausländischen Arbeiter sehr unterstützt.«
Er lacht auf, voller Befriedigung. »Ja, aber jetzt sind die sieben fetten Jahre vorbei. Nun jagen sie Katzen, herrenlosen Hunden oder vielleicht mal auch einem Huhn aus Menidi hinterher. Jedem das Seine.«
»Wissen Sie, ob der eine oder andere von ihnen ein Haus oder eine Wohnung gekauft hat, solange er hier gearbeitet hat?«
»Der eine oder andere? Die meisten! Lassen Sie sich von ihrem armseligen Äußeren nicht täuschen! Alles nur Theater. Darauf ist nur Favieros reingefallen, und deshalb hat er ihnen Häuser besorgt.«
»Hat er ihnen persönlich geholfen, an Wohnungen zu kommen?«
»Er hat sie förmlich zum Kauf gedrängt! Er hat ihnen sogar einen Vorschuß zur Verlobung gegeben oder ihnen was vorgestreckt, damit sie den Preis bezahlen konnten. Das hat er ihnen dann in kleinen
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