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Raten vom Lohn abgezogen.«
»Hat er das auch mit unseren Landsleuten so gehalten?«
»Hier gibt es keine Griechen, habe ich Ihnen das nicht gesagt? Als ich ihn einmal um einen Vorschuß gebeten habe für die Anzahlung eines neuen Autos, hat er mir gesagt, die Firma könne mir einen Bankkredit vermitteln. Denen aber hat er das Geld in die Hand gedrückt. Deshalb haben sie ihn wie einen Heiligen verehrt und ließen nichts auf ihn kommen!«
Warum auch nicht? Ihm hatten sie es zu verdanken, daß sie eine Wohnung erwerben konnten, von der sie in ihrer alten Heimat nur hätten träumen können. Daß er sie betrog, konnten sie nicht wissen und würden es auch nie erfahren. Weder sie noch Karanikas, der Favieros für einen gutgläubigen Trottel hielt.
20
U m vier Uhr nachmittags komme ich zu Hause an und triefe wie ein Hähnchen, das gerade aus siedendem Wasser genommen wurde. Adriani und Koula sitzen im Wohnzimmer, sie haben den Ventilator zwischen sich gestellt. Mit Mühe würge ich ein »Hallo« hervor, richtig zu Atem komme ich erst im Badezimmer. Ich ziehe mein Hemd aus, öffne den Wasserhahn und stecke meinen Kopf darunter. Das Wasser lasse ich so lange laufen, bis seine Temperatur endlich von lauwarm zu kühl übergegangen ist. Dann trockne ich mich ab, streife ein frisches Hemd und eine andere Hose über, und fühle mich etwas besser.
Adriani und Koula sind in die Küche umgezogen. Ein gedeckter Tisch wartet auf mich, doch durch die Höllenhitze, den Verkehrsstau und den Besuch im Olympischen Dorf fühle ich mich wie ein Marathonläufer, der nach zweiundvierzig Kilometern ins Stadion einläuft und so fertig ist, daß er kein Wort mehr herausbringt.
»Setz dich und iß«, sagt Adriani.
»Am Abend. Jetzt kriege ich nichts runter.«
»Setz dich, sonst entgeht dir eine Überraschung! Du würdest es bestimmt bereuen.«
Sie tauscht mit Koula einen komplizenhaften Blick aus. Jetzt stecken sie schon unter einer Decke, denke ich. Na gut, ich tu ihr den Gefallen, um die gute Stimmung nicht zu trüben. Adriani setzt mir einen Teller mit Auberginen Imam vor – in Olivenöl, gefüllt mit Zwiebeln, Knoblauch, Tomaten und Petersilie. Das ist eine angenehme Überraschung, da Auberginen Imam eine meiner Leibspeisen sind – gleich nach den gefüllten Tomaten. Im Grunde graut mir vor Fleisch. Nur in Form von Souflaki kann ich es genießen.
»Nun, wie ist es?«
Ich probiere einen Bissen. »Sehr lecker, du hast goldene Hände.«
»Nicht ich, sondern Koula«, entgegnet sie mit größter Genugtuung. »Sie hat es zubereitet.«
»Mit Hilfe von Frau Adriani«, fügt Koula hinzu und wird knallrot.
»Ich habe ihr nur gesagt, wieviel Öl sie nehmen muß. Alles andere hat sie ganz allein gemacht.«
Ich werde unseren Haushaltsetat aufstocken müssen, da nun auch der Kochunterricht für Koula hinzukommt.
»Bravo, Koula, es schmeckt köstlich. Glückwunsch!« Die beiden nehmen die Auszeichnung entgegen und wollen schon ins Wohnzimmer zurückkehren. »Ist Ihnen neben den Auberginen Imam noch Zeit geblieben, aufs Grundbuchamt zu gehen?« stichele ich.
Adriani zieht sich ins Wohnzimmer zurück, und Koula läßt sich nicht einschüchtern, sondern lächelt locker. »Ich mußte nicht aufs Grundbuchamt. Ich habe den Namen des Notars von Ilias erfahren.«
»Welcher Ilias denn schon wieder?«
»Aristopoulos. Der junge Mann in der Firma DOMITIS , der mir mit dem Offshore-Unternehmen schon weitergeholfen hat, erinnern Sie sich?« Sie zieht einen Zettel aus ihrer Hosentasche. »Er heißt Athanassios Kariofyllis, und seine Kanzlei liegt in der Solonos-Straße 128.«
»Und was sind Sie ihm für die Information schuldig?« frage ich bissig, da ich es noch nicht ganz verdaut habe, daß sie trotz der Zubereitung der Auberginen Imam die Nase vorn hat.
Sie lacht auf. »Einen Drink heute abend. Wir treffen uns um halb zehn, gegen halb zwölf schütze ich dann Müdigkeit und die große Hitze vor und gehe schlafen.«
»Ein tüchtiges Mädchen«, kommentiert Adriani, als Koula mit ihrer mittlerweile fest eingeplanten Tupperdose gegangen ist. »Es liegt ihr im Blut, sie lernt leicht.« Sie macht eine kleine Pause und flüstert, als spreche sie zu sich selbst: »Nicht so wie unsere Tochter.«
»Bist du noch bei Trost? Du vergleichst Koula mit Katerina?« protestiere ich ärgerlich.
»Ich vergleiche sie nicht, aber es tut mir im Herzen weh. Die Bücher, die Bildung, die Doktorate, alles schön und gut, ich sage ja nichts. Aber was wäre denn
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