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Live!

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Titel: Live! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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öffentlichen Aspekt des Selbstmordes erklären. Jedenfalls bildet die drohende Aufdeckung eines Skandals ein glaubhaftes Motiv. Nur dessen Untersuchung fällt nicht in meinen Zuständigkeitsbereich. Denn ob er ans Licht kommt oder nicht, liegt in der Hand anderer, und ich kann mir dabei nur eine blutige Nase holen.
    Plötzlich kommt mir ein Gedanke, und ich rufe Sarantidis an, den Verleger, der Favieros’ Biographie herausgebracht hat.
    »Sagen Sie mal, haben Sie vielleicht auch eine Biographie von Loukas Stefanakos in Händen?«
    »Nein, Herr Kommissar.«
    »Sagen Sie mir auch die Wahrheit?«
    »Warum sollte ich lügen? Sie könnten mich ohnehin nicht daran hindern, sie zu publizieren.«
    Enttäuschung klingt aus seiner Stimme. Wenn er mit Favieros’ Selbstmord und der folgenden Biographie schon den Umzug in ein Vierraumbüro feiern konnte, so trauert er jetzt dem entgangenen Landhaus auf Sifnos nach.
    Das Fehlen einer zweiten Biographie läßt allen Spielraum der Welt für Hypothesen offen. Die wahrscheinlichste davon ist jedenfalls, daß Favieros seine Autobiographie unter dem Pseudonym Minas Logaras verfaßt hat, während sich Stefanakos gar nicht um seinen Nachruhm gekümmert hat.
    Koula kommt gegen halb zehn. Sie schleppt ebenfalls eine Plastiktüte mit sämtlichen Tageszeitungen an. »Ich dachte, Sie wollen sie bestimmt lesen.«
    »Vielen Dank, aber ich hab sie schon durch. Behalten Sie sie.«
    »Was, ich soll das ganze Zeugs lesen? Um Himmels willen!« meint sie. »Lassen Sie nur, ich entsorge sie, wenn ich gehe.«
    Als Adriani bemerkt, daß Koula gekommen ist, läßt sie die Zeitungen liegen und geht in die Küche. »Guten Morgen, liebe Koula«, sagt sie im Vorübergehen.
    Von »Guten Tag, mein Kind« zu »Guten Morgen, liebe Koula«, und noch dazu mit natürlicher Stimme und nicht verkniffenen Lippen! Die Entwicklung ist beeindruckend. Bis zum Austausch von Küßchen auf beide Wangen kann es nur noch Tage dauern.
    »So ein seltsamer Zufall!« meint Koula, als wir ins Wohnzimmer treten. »Zuerst Favieros, und dann Stefanakos …« Plötzlich schlägt sie die Hände vors Gesicht, als wolle sie das Bild verscheuchen. »Was für ein gräßlicher Anblick, mein Gott!«
    »Zufall ist es eher keiner. Am wahrscheinlichsten ist das, worüber heute die Zeitungen schreiben: irgendein Skandal, der bald aufgeflogen wäre und sie in den Selbstmord getrieben hat.«
    »Und was tun wir in so einem Fall?«
    »Wir setzen unsere Arbeit dort fort, wo wir aufgehört haben.«
    Sie blickt mich überrascht an. »Und Stefanakos?«
    »Wollen Sie einen guten Rat? Der schlimmste Fehler, den man begehen kann, ist: Nachforschungen in der einen Sache zu unterbrechen, um einem zweiten Fall nachzugehen. Mit größter Sicherheit gehen dann beide Fälle den Bach runter. Wir werden die Ermittlungen im Fall Favieros fortsetzen, und wenn es Bezüge zu Stefanakos gibt, werden wir im Verlauf davon sicherlich dahinterkommen. Außer, wir sind mit Blindheit geschlagen und erkennen sie nicht. Erzählen Sie mir mal, was Sie gestern herausgekriegt haben.«
    Sie blickt mich an. »Etwas Eigenartiges«, meint sie.
    »Aha?«
    »Ich habe drei Personen aufgetrieben, die in der Gegend Wohnungen gekauft haben. Zwei Albaner – einer hat sich in der Visyis-Straße, oberhalb des Pandasopoulou-Platzes eingekauft, und der andere in der Ejirias-Straße, einer Sackgasse zwischen Konstantinoupoleos- und Ajias-Sofias-Straße – und einen Pontusgriechen, der in der Larymnis-Straße gekauft hat, die zweite Parallelstraße zur Monis-Arkadiou.«
    »Zu welchen Preisen?«
    »Der Albaner in der Visyis-Straße hat die Wohnung für dreiunddreißigtausend Euro erworben, aber das war nur eine Zweizimmerwohnung, um die sechzig Quadratmeter. Der andere Albaner wollte mir den genauen Preis nicht nennen, er hat drum herum geredet, aber meiner Einschätzung nach muß er etwa dasselbe wie der andere bezahlt haben. Die tauschen sich außerdem untereinander über die Preise aus und kaufen dementsprechend. Interessant ist der Fall des Pontusgriechen, denn er hat in der Nähe der Monis-Arkadiou-Straße gekauft und zudem eine Dreizimmerwohnung um die achtzig Quadratmeter.«
    »Wieviel?«
    Bei ihrer Antwort betont sie jede Silbe, damit ich sie verdauen kann. »Fünfundvierzigtausend Euro.«
    Aha. Deshalb also kaufte Favieros Maklerbüros in heruntergekommenen Wohngegenden auf. Er bot den einheimischen Ansässigen, die zu Schleuderpreisen verkauften, einen niedrigen Preis für ihr Weggehen

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