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und verlangte von den Flüchtlingen vierzig Prozent Aufschlag. Die Differenz floß in die Kassen der BALKAN PROSPECT , vermutlich als Schwarzgeld.
»Alle haben bar bezahlt«, fährt Koula fort.
Wie sollten sie auch sonst bezahlen? Die verstehen nichts von Banken und Konten. Was sie verdienen, stecken sie unter ihre Matratze.
»Das ist purer Diebstahl, Herr Charitos.«
»Nur, daß man ihn nicht beweisen kann. Dazu müßte man wissen, für wieviel der eine verkauft hat, für wieviel der andere gekauft hat, und dann müßte man den Vertrag sehen, um mit den dortigen Summen zu vergleichen. Möglicherweise könnte man wegen Steuerhinterziehung vorgehen oder den Käufern die Augen öffnen und das Maklerbüro wegen Betrugs vor Gericht zitieren. Haben Sie vielleicht den Namen des Notars herausgefunden?«
»Ich hab es versucht, bin aber auf keinen grünen Zweig gekommen. Die Leute können kein Griechisch, man legt ihnen irgendwelche Papiere vor, die sie dann unterschreiben sollen. Sie wissen weder, wer der Notar ist, noch was im Vertrag steht, rein gar nichts.«
Sie kaufen die berühmte Katze im Sack. Sie waren so froh, ihr Häuschen oder ihre kleine Wohnung zu bekommen, daß sie gar nicht nachfragten – voller Angst, der andere könnte es bereuen und das Angebot wieder zurückziehen. So hatten sie es in ihrer Heimat gelernt: Wenn du den Mund aufmachst, dann verlierst du alles. Ihnen war nicht klar, daß man hier das wenige, das man bekommen kann, nur dann erhält, wenn man es lautstark einfordert.
»Da ist noch etwas«, meint Koula.
»Was denn?«
»Der eine Albaner arbeitet auf Favieros’ Baustelle im Olympischen Dorf.«
Ich hatte nicht erwartet, daß die Querverbindungen bis dorthin reichen würden, und bin kurzfristig baff. Diesen betrügerischen Trick hatte Favieros, Schutzherr der Flüchtlinge, also ersonnen! Einerseits gab er ihnen Arbeit, andererseits nahm er ihnen einen Teil ihres Lohns durch die Immobilien, die er ihnen verkaufte, wieder weg. Wenn man bedenkt, daß er im ganzen Land Maklerbüros besaß, mußte er eine Menge Geld damit gemacht haben. Hier verkaufte er ihnen Eigentum zu überhöhten Preisen, während seine Maklerbüros in ihrer Heimat genau das Gegenteil taten und Immobilien für einen Kanten Brot erwarben. Und all das, ohne daß er selbst irgendwo erschien.
»Bravo, Koula«, sage ich begeistert, denn es will mir gar nicht in den Kopf, daß eine unerfahrene Ermittlerin all diese Hinweise innerhalb weniger Stunden herausbekommen hat.
»Habe ich es gut gemacht?« fragt sie und strahlt über das ganze Gesicht.
»Großartig. Wenn ich mitgekommen wäre, wären wir vielleicht nicht so schnell ans Ziel gelangt.«
Ich sage ihr noch nicht, daß ich sie gerne zu mir auf die Dienststelle holen würde – zum einen, weil meine Rückkehr in die Abteilung noch in den Sternen steht, und zum anderen, weil ich nicht weiß, ob Gikas sie gehen lassen würde.
Ich muß herausfinden, ob es noch andere ausländische Arbeiter auf Favieros’ Baustellen gibt, die Wohnungen über seine Maklerbüros gekauft haben. Das Problem ist, daß ich damit nicht zu BALKAN PROSPECT gehen kann. Nicht, weil sie es mir verheimlichen würden, sondern weil sie es gar nicht wissen können, da alle Geschäftskontakte über die lokalen Maklerbüros laufen. Daher muß ich wohl die Büros der DOMITIS AG aufsuchen, um eine Liste der ausländischen Arbeitskräfte einzuholen, und danach die Maklerbüros abgrasen. Dafür brauche ich mindestens zwei Wochen, falls die Makler sich überhaupt bereit erklären zu reden. Denn ohne Belastungsmaterial kann sie keiner dazu zwingen. Ich beschließe, den kürzesten Weg zu wählen, der mich auf feindlichen Boden führen wird, gemäß dem alten Sprichwort: Der Feind meines Feindes ist mein bester Freund.
Außerdem muß ich den Namen des Notars herauskriegen, der die Verträge aufgesetzt hat, denn er ist der einzige, der die Daten des Verkäufers und des Käufers kennt, aber auch den tatsächlichen Wert, da er das Bargeld vom Käufer in Empfang genommen, an den Verkäufer weitergereicht und die Differenz einbehalten hat. Immobilienbetrug funktioniert nicht ohne einen eingeweihten Notar.
»Koula, haben Sie die Personalien der Albaner und des Pontusgriechen, die ihre Wohnungen über Favieros’ Maklerfirma gekauft haben?«
»Die hab ich.«
»Schön, dann gehen Sie bitte ins Grundbuchamt und besorgen den Namen des Notars, der die Kaufverträge abgeschlossen hat. Ich werde Favieros’ Baustelle im
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