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und reicht ihn mir. »Das ist Petroulakis’ Mobiltelefonnummer. Kennen Sie ihn?«
Der Name sagt mir nichts. Gikas sieht es mir an und erstellt mir sein profile . »Petroulakis ist Berater des Premierministers. Mehr als das, er ist seine rechte Hand. Sie rufen ihn an und treffen sich mit ihm. Der Ministerialdirektor ist der Meinung, daß die Journalisten schwerer dahinterkommen, wenn die Nachforschungen auf außerdienstlichem Wege laufen. Deshalb haben wir uns auf diese Vorgehensweise geeinigt. Sie sind, auf dem Papier, immer noch im Genesungsurlaub. Petroulakis hat mit dem Ministerium für Öffentliche Ordnung nichts zu tun. So sind wir einigermaßen abgesichert.«
»Das bedeutet, ich setze meine Ermittlungen weiterhin im geheimen fort?« Ich hatte etwas anderes erwartet, und meine hochfliegenden Hoffnungen werden etwas zurechtgestutzt.
»Ja, aber jetzt haben Sie meine offizielle Rückendeckung und können mich jederzeit anrufen und Hilfe anfordern. Koula bleibt bei Ihnen. Wenn Sie noch einen Assistenten brauchen, wird es nicht leicht sein, eine gleichermaßen verläßliche Person zu finden, aber ich werde mich bemühen.«
»Koula ist vorläufig ausreichend. Wieviel von meinen Erkenntnissen über Favieros soll ich Petroulakis mitteilen?«
»Alles. Wenn die Bombe eines Skandals platzt, wie ich befürchte, dann ist es besser, die fangen schon jetzt damit an, die Sache zu verarbeiten. Wenn sich später etwas anderes ergibt, das Sie Ihrer Meinung nach nicht berichten sollten, rufen Sie mich an, und wir besprechen das.«
»Bin ich in bezug auf Petroulakis weisungsgebunden?«
»Kommen Sie! Welche Weisungen sollte Petroulakis Ihnen denn geben? Was versteht der von Polizeiarbeit? Wenn er den Schlaumeier spielt, sagen Sie einfach ›Jawohl‹ und tun dann, was Sie für richtig halten.«
Als ich bei der Tür anlange, höre ich ihn sagen: »Schönen Gruß an Koula.«
»Werde ich weiterleiten, und auch, wie sehr sie Ihnen fehlt. Ich habe den Zustand auf ihrem Schreibtisch gesehen.«
»Das sagen Sie ihr lieber nicht, aber Koula ist ein Grund mehr, den Fall so schnell wie möglich abzuschließen.«
Ich nehme an, das ist das großmütigste Kompliment, das je aus Gikas’ Mund gedrungen ist. Der Hüne im Vorzimmer ist inzwischen von Datsun auf Hyundai umgestiegen.
Im Fahrstuhl überkommt mich plötzlich der Wunsch, in der Cafeteria haltzumachen und einen Kaffee mit Croissant zu bestellen, so wie immer, wenn ich in die Dienststelle gekommen bin. Ich bin drauf und dran, auf den Knopf zu drücken, verzichte jedoch nach reiflicher Überlegung darauf und fahre in die Garage hinunter. Wenn mich jemand sieht und es ausplaudert, dann muß ich erlogene Erklärungen abgeben. Dem gehe ich lieber aus dem Weg.
Zu Hause sitzt Adriani vor dem Fernseher. Auf dem Bildschirm erlischt gerade die Szene von Stefanakos’ Selbstmord.
»Du bist spät dran und hast die Sondersendung verpaßt«, meint Adriani.
»Noch ein Selbstmord?« frage ich erschrocken.
»Nein, aber diese Nationalisten haben auch für den Tod des Abgeordneten die Verantwortung übernommen.«
Ich brauche gar nicht danach zu fragen, was sie sagen, denn ich kann es mir im Wortlaut vorstellen. Wenn die schon bei Favieros behaupteten, sie hätten ihn zum Selbstmord gezwungen, weil er ausländische Arbeitskräfte eingesetzt hat, um wieviel mehr Grund hatten sie dafür bei Stefanakos, der darüber hinaus muttersprachlichen Unterricht an unseren Schulen einführen wollte. Trotzdem warte ich auf die Tagesschau. Selbst wenn all das wirres Zeug ist und die Organisation Philipp von Makedonien sich mit fremden Federn schmückt, so ist es doch nicht ausgeschlossen, daß das Bekennerschreiben die Lage noch mehr verschärft und wir dann gar nicht mehr wissen, wo uns vor lauter Politskandalen und Terrororganisationen der Kopf steht.
In der Zwischenzeit rufe ich Petroulakis auf seinem Mobiltelefon an. »Wir treffen uns besser bei mir zu Hause und nicht im Büro«, meint er. »Ich wohne in der Dafnomili-Straße 21, am Lykavvitos. Kommen Sie morgen gegen neun, aber pünktlich, denn um zehn habe ich eine Besprechung.«
Wie zu erwarten war, erscheint gleich nach der Kennmelodie der Tagesschau das Bekennerschreiben auf dem Bildschirm. Gestaltung und Emblem sind gleich wie beim letzten Mal, und auf den ersten Blick sieht es aus, als wäre der Text von ein und derselben Person verfaßt worden.
»Die Griechisch-Nationale Vereinigung Philipp von Makedonien hat mit Worten und mit Taten
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