Live!
nicht. Wozu soll ich ihm den Stachel ins Fleisch setzen, da Logaras sich ohnehin nicht melden wird? Langsam beginne ich, Logaras’ Vorgehensweise nachzuvollziehen. Favieros’ Biographie war seine erste Arbeit, und er wollte ihre Publikation sicherstellen. Deshalb hat er den Vertrag unterzeichnet und eine falsche Adresse angegeben. Bei Joldassis hat er nichts dergleichen unternommen, da er sicher war, daß Joldassis nach Sarantidis’ Bestseller scharf darauf sein würde, die Biographie umgehend herauszubringen, um am Erfolg teilzuhaben. Deswegen hat er die zweite Biographie an den Verlag EUROPUBLISHERS geschickt, der alles mögliche herausbringt, solange es nur Gewinn einspielt.
Logaras lag nichts an den Autorenrechten. Aus irgendeinem Grund wollte er sichergehen, daß die Lebensgeschichten auch tatsächlich auf den Markt kamen. Wenn ich bloß wüßte, was der Grund dafür ist. Aber ich habe nicht die leiseste Ahnung.
»Eine letzte Frage noch«, sage ich zu Joldassis. »Sie wissen doch bestimmt, daß nach Favieros’ Freitod der Verlag SARANTIDIS eine Biographie herausgegeben hat.«
»Ja, diese kulturbeflissenen Verleger finden uns zwar zum Kotzen, aber sobald ihnen ein Goldfisch ins Netz geht, nehmen sie ihn schlimmer aus als wir. Vergleichen Sie unsere Ausgabe mit der von SARANTIDIS und sagen Sie mir, welche den besseren Eindruck macht.«
Diese ästhetische Frage ist mir allerdings schnurzegal. »Ja, aber haben Sie aufgrund des vorangegangenen Falles nicht daran gedacht, sich mit irgend jemandem in Verbindung zu setzen, als Sie nach Stefanakos’ Selbstmord plötzlich auch mit einer Biographie dastanden?«
»Mit wem hätte ich denn Verbindung aufnehmen sollen …«
»Was weiß ich … Mit seiner Familie … Mit der Polizei …«
Er reagiert mit einem gleichgültigen Schulterzucken. »Ich bin doch nicht verpflichtet, die Familie zu informieren, weil ich die Biographie eines prominenten Politikers veröffentlichen will. Um so weniger, wenn sie eine einzige Lobeshymne auf den Verstorbenen ist. Was die Polizei betrifft, Herr Kommissar, so ist die Zeit der Zensur wohl vorbei.«
Dem habe ich nichts entgegenzusetzen und breche auf. Der Abschied verläuft viel förmlicher als der Empfang.
Nach dem angenehm kühlen Klima im Büro kommt mir die Höllenhitze draußen noch unerträglicher vor. Zu Hause angelangt finde ich Koula vor, die auf glühenden Kohlen sitzt, da sie mir etwas Neues zu berichten hat.
»Spyrakos und ich haben noch ein Unternehmen entdeckt«, meint sie gleich bei meinem Eintreten.
»Was für ein Unternehmen?«
»Offshore.«
»Von Favieros, seiner Frau und der Stathatou?«
»Von Favieros und der Stathatou. Hotelanlagen und Reiseunternehmen in Bulgarien, Rumänien und an der Küste Dalmatiens.«
Sie überreicht mir ein Blatt Papier, auf dem der Name des Unternehmens notiert ist: BALKAN INNS – HOTELS AND CRUISES .
Na also, sage ich mir. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Schließlich hat die Stathatou ihrem Vater nur im Inland abgeschworen. Im Balkanraum geht sie denselben Geschäften nach wie er. Mit einemmal stehe ich vor einem ganzen Komplex von Unternehmen innerhalb und außerhalb Griechenlands, der zwei Familien untersteht: der eines Unternehmers und der eines Politikers. Den gemeinsamen Nenner zwischen beiden bilden die kämpferische Studentenzeit, der Widerstand gegen die Junta und die Militärpolizei. Auf welche Weise nun all das in die Aktivitäten multinationaler Unternehmen auf dem Balkan mündet und in welchem Zusammenhang es mit den Selbstmorden der beiden Familienoberhäupter steht, ist mir völlig schleierhaft, und ich sehe keine Möglichkeit, dieses Knäuel jemals zu entwirren.
Da, trotz allem, Angriff die beste Verteidigung ist, beschließe ich, noch einen Besuch bei Koralia Janneli in der Firma BALKAN PROSPECT zu machen, da sie sich bei Favieros’ Offshore-Unternehmen besonders gut auskennt.
Ich bin schon auf dem Weg zum Telefon, um sie wegen eines Termins zu kontaktieren, als es mir durch sein Schrillen zuvorkommt.
»Fehlanzeige«, sagt eine Stimme am anderen Ende der Leitung, die ich als die Sotiropoulos’ identifiziere. »Andreadis will nicht reden.«
»Wieso nicht? Was hat er Ihnen gesagt?«
»Was heißt gesagt! Er hat mich angebrüllt: Die Teilnehmer an meiner Sendung sähen mich als zuverlässigen Partner an, und es sei nicht richtig, ihr Vertrauen zu mißbrauchen und Informationen an Dritte weiterzugeben. Wenn ich so weitermachte, würde keiner mehr in
Weitere Kostenlose Bücher