Live!
Antwort: »Ich verstehe! Weil auch nach dem Selbstmord dieses … Bauunternehmers eine Biographie vom selben Autor erschienen ist.«
»Genau. Ich möchte wissen, wie und wann die Biographie in Ihre Hände gelangt ist.«
»Auf dem Postweg, das ist sicher. Wann, weiß ich nicht mehr genau, aber ich kann Jota rufen, die das Buch betreut hat.«
Er hebt den Hörer ab und veranlaßt seine Sekretärin, Jota zu uns zu schicken. Kurze Zeit später tritt eine junge Frau um die Fünfundzwanzig ein, die von allem ein bißchen ist: ein bißchen kurz geraten, ein bißchen dicklich, ein bißchen kurzsichtig.
»Sag mal, Jota«, fragt Joldassis. »Erinnerst du dich vielleicht, wann wir den Computerausdruck von Stefanakos’ Biographie bekommen haben?«
»Vor dreieinhalb Monaten etwa«, antwortet die junge Frau wie aus der Pistole geschossen.
Ungefähr um dieselbe Zeit hatte auch Sarantidis Favieros’ Lebensgeschichte zugeschickt bekommen.
»Herr Joldassis hat mir gesagt, sie sei per Post gekommen. Können Sie sich vielleicht erinnern, ob noch etwas in dem Umschlag war?«
»Ja, ein Brief.«
»Was für em Schreiben war das?«
»Ich kann es herholen, ich habe es aufgehoben.«
»Eine blitzgescheite junge Frau«, meint Joldassis, nachdem sie gegangen ist. »Stellen Sie sich vor: Ich hätte gar nicht mehr an Stefanakos’ Biographie gedacht, Jota hat mich daran erinnert.«
Jota kehrt kurz darauf mit dem Brief zurück und überreicht ihn mir. Ich fasse ihn mit den Fingerspitzen an und betrachte ihn gründlich. Er wurde auf einem Computer verfaßt, ohne Absender und ohne Telefonnummer. Nur unter der unleserlichen Unterschrift taucht der Name ›Minas Logaras‹ auf. Der Inhalt deckt sich mit dem Schreiben an Sarantidis: Falls sich EUROPUBLISHERS für die Publikation interessiere, würde Logaras mit dem Verlag Kontakt aufnehmen, um die Vertragsbedingungen und den Erscheinungstermin auszuhandeln.
»Kann ich den Brief behalten?« frage ich Joldassis. Nicht, daß wir nach so langer Zeit und nachdem er durch so viele Hände gegangen ist, noch Fingerabdrücke feststellen könnten, aber manchmal geschehen Zeichen und Wunder.
»Aber sicher. Nur würde ich ihn gerne zurückhaben. Ich habe sonst keinen Beweis in Händen, daß es bei der Zustellung des Textes mit rechten Dingen zuging. Und wenn eines Tages dieser Logaras auftaucht … Sie verstehen …«
»Was wollen Sie damit sagen? Gibt es keinen Vertrag?« frage ich verdattert.
»Nein. Logaras hat sich nicht mehr gemeldet, und ich hatte, wie gesagt, die Biographie vollkommen vergessen. Jota ist sie am Tag nach dem Selbstmord wieder eingefallen. Von da an begann ein Wettlauf mit der Zeit. Ich habe ein Vermögen für die Druck- und Bindekosten bezahlt, damit sie das Buch in fünf Tagen fertig haben.« Er hält inne und lächelt. »Aber es war der Mühe wert«, meint er zufrieden.
»Und Sie haben die Biographie ohne Autorenvertrag herausgebracht?«
Er zuckt mit den Schultern. »Wo hätte ich denn Logaras auftreiben sollen, wenn er weder Adresse noch Telefonnummer angibt? Sollte er auftauchen, werde ich ihm die Beteiligung bezahlen, die ihm zusteht. Aber er wird nicht auftauchen«, fügt er im Brustton der Überzeugung hinzu.
»Wie können Sie da so sicher sein?«
»Nach dem Aufruhr um Stefanakos hätte er sich wegen seiner Beteiligung bestimmt gemeldet. Da er bislang nicht aufgetaucht ist, heißt das, er wird sich auch weiterhin nicht melden. Die hohen Produktionskosten des Buches habe ich zum Teil vom Autorenhonorar abgezweigt.« Er verbirgt seine Begeisterung über diese Lösung keineswegs.
»Und wieso meinen Sie, er würde sich nicht melden? Wieso läßt er sich so viel Geld entgehen?«
Die Suche nach einer Version, die mir noch nicht in den Sinn gekommen ist, läßt mir einfach keine Ruhe. Joldassis hebt die Schultern.
»Keine Ahnung, aber ich kann es mir erklären. Logaras ist bestimmt ein Pseudonym.«
»So weit kann ich folgen. Und weiter?«
»Woher will man denn wissen, ob der Mann nicht inzwischen verstorben ist? Und keiner hat mitgekriegt, daß er zwei Bestseller-Biographien geschrieben hat?«
Dieser Gedankengang kommt ihm sehr gelegen, da er so für immer der Zahlung des Autorenhonorars entgeht. Wenn ihn Adriani jetzt sehen könnte, hätte sie ihre Schlußfolgerungen schon gezogen: Große Hakennase bedeutet Habgier und Geiz.
Mir ist klar, daß seine Theorie irrig ist, da es im Fall von SARANTIDIS einen Vertrag unter einer falschen Adresse gab, aber das sage ich ihm
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