Live Fast, Play Dirty, Get Naked
der Raum war in ein fahles Morgenlicht getaucht. Der Himmel schien klar zu sein, der Regen hatte aufgehört und draußen in den Bäumen sangen die Vögel.
Ich schaute auf meine Uhr.
Es war kurz nach sieben.
William lächelte mich an. »Wachst du immer so auf?«
»Nein«, sagte ich gähnend. »Anscheinend nur, wenn ich die Nacht auf einem rattenverseuchten Friedhof verbringe.«
Wir machten uns sauber, so gut es ging – wuschen uns mit Regenwasser, trockneten uns mit dem Sackleinen ab –, dann zogen wir uns an, verabschiedeten uns von der Kapelle und machten uns auf den Weg, um irgendwo etwas zu essen.
Wir hatten beide einen Mordshunger, und als wir das griechische Café in Stoke Newington erreichten – das nicht nurso früh am Morgen schon aufhatte, sondern in dem auch überraschend viel los war –, bestellten wir beide das üppigste Frühstück, dass wir auf der Karte fanden. Spiegeleier, Bratwürstchen, Schinken, gegrillte Tomaten, geröstetes Brot, Pilze, jede Menge Toast … und große Becher mit dampfendem schwarzem Kaffee.
Es war das beste Essen, das ich je bekommen hatte.
Wir redeten nicht miteinander, während wir aßen, sondern schaufelten alles schweigend in uns hinein, und erst, als die Teller leer waren und William die letzten fettigen Reste mit einem Stück trockenem Toast aufwischte, sprach ich das Thema an, das mich seit letzter Nacht die ganze Zeit quälte.
»William?«, fragte ich leise.
»Hmm?«
»Wegen der Sache, du weißt schon … mit den Männern aus Derry.«
Er warf einen kurzen Blick durch das Café, dann drehte er sich wieder zu mir um. »Sprich leise, ja?«
»Okay«, sagte ich, rückte näher an ihn heran und senkte meine Stimme. »So in Ordnung?«
»Ja.«
»Gut … also, es ist so …« Ich seufzte. »Mir gefällt das einfach nicht, das ist alles.«
»Mir auch nicht.«
»Warum lässt du dann nicht die Finger davon?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht.«
»Wieso nicht?«
Er sah mich an. »Du weißt genau, wieso, Lili. Wir haben das doch alles schon durchgekaut.«
»Ja, ich weiß, aber –«
»Es hat sich nichts geändert.«
»Aber diese Männer … die sind doch böse – ich meine, nett sind die jedenfalls bestimmt nicht.«
»Das sind Soldaten, die sind nicht dazu da, nett zu sein.«
»Ich weiß –«
»Schau«, sagte er und nahm meine Hand. »Alles wird gut, vertrau mir. Ich weiß, was ich tue. Meine Vermutung ist, sie planen einen Anschlag, um ein Zeichen zu setzen … sie sprengen ein Gebäude oder so, entweder wenn es leer ist oder mit ausreichender Vorwarnung, dass alle noch Zeit haben rauszukommen … was bedeutet, dass niemand verletzt wird.« Er zuckte die Schultern. »Und abgesehen davon, meistens wird sowieso nichts aus solchen Sachen.«
»Wie meinst du das?«
»Solche Operationen, besonders die hier in England … also die große Mehrheit davon kommt sowieso nie übers Planungsstadium hinaus. Irgendwas läuft immer schief – logistische Probleme, Probleme mit dem Geld, mit den Leuten, der Munition, den Informationen … irgendwer macht einen Fehler, die Polizei kriegt was mit, der MI5 steckt die Nase rein …« William grinste. »Was immer die drei planen, die Chance, dass sie es auch ausführen, ist faktisch gleich null.«
»Wirklich?«
»Ja, wirklich.«
»Aber es ist trotzdem möglich, oder?«
»Klar, die Möglichkeit besteht immer.«
Ich schaute ihm in die Augen. »Und ich kann nichts tun, um deine Meinung zu ändern?«
Er antwortete nicht, sondern schaute nur mit seinen strahlenden Haselnussaugen zurück – so klar und leuchtend, so voller Leben …
»Komm her«, sagte ich leise, nahm eine Serviette und führte sie an sein Gesicht. »Du hast überall Ketchup am Mund.«
Es war nur eine kurze Fahrt mit dem Bus von Stoke Newington nach Dalston und von dort nahmen wir die London Overground zurück nach Hampstead. Ich sagte William, dass er mich nicht den ganzen Weg begleiten müsse, doch er bestand drauf. Und als wir in Hampstead Heath ausstiegen und er anbot, mich noch nach Hause zu bringen, erinnerte ich mich plötzlich an die Nacht der Valentinsparty … als wir alle am U-Bahnhof London Bridge rumhingen und ich echt sauer auf Curtis war. Und wie ich mich auf einmal bei der Vorstellung ertappt hatte, William stiege mit mir in die U-Bahn und wir würden gemeinsam zurückfahren, und wie ich davon geträumt hatte, er würde mich von der Station aus heimbringen …
Und jetzt …
War es plötzlich so.
Ließen wir es wahr
Weitere Kostenlose Bücher