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Live Fast, Play Dirty, Get Naked

Titel: Live Fast, Play Dirty, Get Naked Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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allem, weil er immer wieder alles anders erzählte. Doch schließlich gelang es mir, die Dinge halbwegs auf die Reihe zu kriegen. Kurz gesagt, bis Sonntagabend war er in dem besetzten Haus geblieben und dann gegen acht Uhr heimgegangen. Er hatte vorgehabt, seinen Eltern zu sagen, dass er die Schule abbrechen würde, doch in dem Moment, als er durch die Tür trat, war sein Vater auf ihn losgestürmt, hatte ihn an den Schultern gepackt und in die Küche gezerrt. Am Tisch saß seine Mutter und heulte sich die Augen aus. Und auf dem Tisch lag ein Stückchen Cannabis-Harz, in Folie eingewickelt.
    »Ich muss es in einer meiner Taschen vergessen haben«, erklärte er. »Mum hat es wahrscheinlich gefunden, als sie die Hose waschen wollte.«
    »Was hat dein Dad gesagt?«, fragte ich.
    Curtis lachte. »Er hat gefragt, was das ist und was ich damit vorhätte, verdammte Scheiße.«
    »Und was hast du geantwortet?«
    »Die Wahrheit. Ich hab ihm gesagt, dass es bloß ein bisschen Dope ist und er doch keine so große Geschichte draus machen muss.«
    »Das war genau die richtige Antwort, was?«
    Er lachte wieder. »Ja … er hat mich angebrüllt wie ein Irrer. Ich dachte, sein Kopf explodiert gleich. Und je mehr er gebrüllt hat, desto mehr hat meine Mum geheult … was ihn noch mehr schreien ließ. Es war absurd. Nach einer Weile hab ich mich einfach umgedreht und wollte raus. Aber meinDad hat mich wieder gepackt und sich ausgekotzt von wegen keine dämliche Musik mehr, keine Popbands mehr, von jetzt an tust du, was ich sage … Ich hab darauf nicht mal geantwortet, weißt du? Ich bin einfach nur dagestanden und hab ihn angestarrt. Und schließlich hat er irgendwas von Montag direkt nach der Schule nach Hause kommen gemeint, da hab ich ihm dann erklärt, dass ich am Montag nicht zur Schule gehe, dass ich überhaupt nicht mehr zur Schule gehe, und dann ging alles von vorn los. Am Ende … kam er mit dem alten Spruch: ›Das ist mein Haus, hier bestimme ich, was getan wird.‹ Also hab ich gesagt, er soll sich sein scheiß Haus an den Hut stecken, und bin raus.«
    »Das heißt, eigentlich hat er dich gar nicht rausgeworfen?«
    »Kacke, Lili, auf wessen Seite stehst du eigentlich? Ich meine, Scheiße , verdammt …«
    »Das hab ich doch gar nicht –«
    »Egal, spielt keine Rolle …«
    »Was spielt keine Rolle?«
    »Alles … alles. Keine Ahnung …«
    Eine Weile herrschte Schweigen in der Leitung. Ich hörte Curtis atmen, in kurzen scharfen Zügen. Ich hörte ihn auch ein paar Mal schniefen. Und ich stellte ihn mir in der Telefonzelle vor, wie er an der Lippe kaute und seine Blicke hin und her schossen und den Verkehr draußen beobachteten.
    »Was hast du jetzt vor?«, fragte ich leise.
    »Das ist kein Problem«, sagte er lässig und betont fröhlich. »Ich bin ins besetzte Haus gezogen, in das Zimmer, wo wir neulich übernachtet haben. Ich bring es in Ordnung, hol mir ein paar Möbel, einen Stuhl, ein richtiges Bett …«
    »Wie kommst du an Geld?«
    »Ich meld mich arbeitslos, wie die andern auch.«
    »Was ist mit deinen Sachen?«
    »Was für Sachen?«
    »Von zu Hause … deinen ganzen Platten, deinen Klamotten –«
    »Interessiert mich alles nicht. Ich hab meine Gitarre, mehr brauch ich nicht.«
    »O Curtis.«
    »Hör auf, mich zu bemitleiden, Lili«, sagte er kalt.
    »Tu ich ja gar nicht.«
    »Ich will es so, kapiert? Genau so soll es sein.«
    In den nächsten Monaten beruhigten sich die Dinge einigermaßen und es gelang mir, wieder ein bisschen Struktur in mein Leben zu bringen. Unter der Woche ging ich morgens zur Schule, wo ich versuchte, alles andere auszublenden – meine Mutter, Curtis, die Band – und mich voll auf den Unterricht zu konzentrieren. Montags, mittwochs und donnerstags ging ich nach der Schule direkt nach Hause. Dienstags fuhr ich mit der U-Bahn zu dem besetzten Haus, um mit der Band zu proben, und danach blieb ich die Nacht über meistens bei Curtis. Freitags hetzte ich nach der Schule nach Hause, zog mich schnell um und machte mich dann zum besetzten Haus auf, um beim Beladen des Lieferwagens zu helfen und alles für den Auftritt abends im Conway Arms zu regeln. Danach übernachtete ich wieder bei Curtis und wir verbrachten meistens das Wochenende zusammen, probten sonntags noch mal und dann nahm ich die U-Bahn zurück nach Hampstead.
    Die Freitagabend-Auftritte im Conway’s wurden mit jedem Mal besser. Curtis schrieb bessere Songs, wir spielten immer besser – sowohl jeder Einzelne von uns als auch die

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