Live Fast, Play Dirty, Get Naked
schrie. Und ich spürte , wie ich beobachtet wurde. Menschen in den Hochhausblocks, die michvon ihren Fenstern aus beobachteten … sich fragten, wer ich wohl war und was ich hier wollte …
Ich fühlte mich ziemlich unwohl.
Ich wollte mich nicht unwohl fühlen. Ich wollte mich fühlen, wie ich glaubte, mich fühlen zu sollen – nicht ängstlich, nicht überfordert, nicht wie ein verzogenes reiches Mädchen, das hochmütig vor dem Schmutz die Nase rümpft …
Aber ich war nun mal die, die ich war.
Und ob es mir gefiel oder nicht, es ließ sich nun mal nicht ändern.
Ich schaute auf meine Uhr. Es war 22.05 Uhr. Ich zog den Kragen der Jacke hoch, stopfte mir die Haare unter die Kappe und ging zu den Jugendlichen am Eingang des Hochhausblocks.
Es waren vier – drei Jungs und ein Mädchen, alle so um die siebzehn, achtzehn – und sie hatten mich die ganze Zeit beobachtet, seit ich aus dem Taxi gestiegen war. Der eine war ein ziemlich hardcoremäßig wirkender Schwarzer mit dunkler Lederjacke und Plateauschuhen, die andern zwei Jungs waren Weiße und schienen ein wenig jünger. Beide hatten längere, in der Mitte gescheitelte Haare und beide trugen Hemden mit rundem Kragen und ausgestellte Jeans. Das Mädchen hatte eine Feather-Cut-Frisur und trug Tanktop, Minirock und hohe braune Stiefel.
Ich hatte keine Ahnung, ob sie mir wohlgesinnt waren oder nicht, doch ich war froh, dass ich mich nicht umgezogen hatte, bevor ich aufgebrochen war, denn dadurch trug ich nicht die Sachen, die ich bei unseren Auftritten anhatte. Wenn ich irgendwas auch nur ansatzweise Punkiges angehabt hätte … also, zu der Zeit damals und an so einem Ortwäre das sicher keine gute Idee gewesen. Doch in T-Shirt und Jeans und mit Donkeyjacke und Kappe war ich mir einigermaßen sicher, dass ich nicht allzu merkwürdig wirkte. Und selbst wenn ich ein bisschen merkwürdig aussah – was wahrscheinlich der Fall war, wenn ich so drüber nachdenke –, dann zumindest nicht auf eine eindeutig identifizierbare Weise. Solange mich niemand ansah und dachte: Die ist ein Punk , war vermutlich alles in Ordnung.
Hoffte ich jedenfalls.
»Entschuldigung«, sagte ich und trat auf die vier Jugendlichen zu. »Ich suche einen Jungen –«
»Tun wir das nicht alle?«, sagte das Mädchen grinsend.
Ich lächelte.
Sie hörte auf zu grinsen.
Der schwarze Junge fragte: »Hast du Zigaretten?«
»Äh … nein, tut mir leid.«
»Weißt du, wie spät es ist?«
Ich schaute auf meine Uhr. »Gleich zehn nach –«
»Hübsch …«
»Wie bitte?«
»Die Uhr … sehr hübsch.« Er schaute zu einem der beiden andern Jungs. »Sieht so aus wie deine, nicht, Dave?«
»Ja.«
Der Schwarze schaute wieder zu mir. »Dave hat nämlich seine verloren … hat ihm jemand geklaut. Sah genau aus wie deine.« Er bewegte sich lächelnd auf mich zu. »Wo hast du die her?«
»Das ist meine«, sagte ich und wich zurück. »Hör zu, ich will keinen –«
»Was?«, fragte er und blieb plötzlich stehen. »Du glaubst, ich beklau dich?«
»Nein –«
»Wie kommst du denn darauf ?«, fragte er grinsend.
Ich wusste nicht mehr, was ich sagen sollte. Ich hatte Angst, ich war durcheinander … nicht sicher, ob meine Angst begründet war oder nicht …
»Was willst du?«, fragte der schwarze Junge und grinste jetzt nicht mehr.
»Ich suche jemanden.«
»Wen?«
»William Bonney. Er wohnt irgendwo hier in der Siedlung.«
»Bonney?«
»Ja«, sagte ich und merkte, wie sie mich alle anstarrten. Ihr Verhalten hatte sich schlagartig verändert. Es war, als ob sie durch die bloße Nennung von Williams Namen alle kleiner, weniger selbstbewusst … weniger Angst einflößend geworden wären.
»Kennt ihr ihn?«, fragte ich.
Der schwarze Junge schüttelte den Kopf. »Nein …«
Als ich zu den andern schaute, sah ich, wie einer der Jungs kurz zu dem Wohnblock auf seiner Rechten sah.
»Wohnt William da?«, fragte ich ihn.
»Hä?«
»Weißt du, in welcher Wohnung?«
Der Junge schüttelte den Kopf. »Ich kenn keinen, der Bonney heißt.«
Es war klar, dass er log.
Aber nicht klar, wieso.
Und als ich den andern Jungen und das Mädchen fragte, ob sie was von William wüssten, verhielten sie sich beide genauso ausweichend – murmelten nur in sich hinein, schütteltenden Kopf und vermieden jeden Blickkontakt. Ich wandte mich wieder an den schwarzen Jungen. Er hatte sich eine Zigarette angezündet und bewegte sich von mir weg.
»Ich bin eine Freundin von William«, erklärte ich ihm. »Ihr
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