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Live Fast, Play Dirty, Get Naked

Titel: Live Fast, Play Dirty, Get Naked Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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Tür auf. Ich bin schon ganz nass.«
    Er schaute langsam zu mir hoch und schüttelte den Kopf.
    »Was ist los?«, fragte ich. »Was hast du?«
    »Platt.«
    »Was?«
    »Der Reifen.«
    Ein Blitz erhellte die Nacht, Sekunden später von krachendem Donner gefolgt. Diesmal viel lauter, viel näher.
    »Hast du einen Ersatzreifen?«, brüllte ich.
    Er schüttelte den Kopf. »Platt.«
    »Einen Ersatz reifen«, schrie ich. »Ob du einen Ersatzreifen hast?«
    »Ist platt.«
    »Der Ersatzreifen ist auch platt?«
    Er nickte.
    »Scheiße.«
    Chief schien sich wenig draus zu machen, er stand nur im strömenden Regen, sagte nichts, tat nichts … und empfand offenbar auch nichts. Er war einfach irgendwie da , akzeptierte den Moment so, wie er war – was er eigentlich immer tat –, und auf einmal kam es mir gar nicht schlecht vor, so sein Leben zu leben. Ohne Komplikationen, ohne Katastrophen, ohne unseliges Auf und Ab …
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Hey, Chief!«, schrie ich. »Mach bitte trotzdem die Tür auf, ja? Dann sind wir wenigstens einen Moment aus dem Regen.«
    »Hä?«
    Ich machte mit der Hand eine Drehbewegung. »Schließ die Tür auf!«
    »Ist auf.«
    »Was?«
    »Ist schon auf.«
    Das Prasseln des Regens auf dem Dach des Lieferwagens hatte etwas merkwürdig Beruhigendes an sich. Irgendwie gab es mir ein Gefühl von Obhut, Sicherheit, fast Behaglichkeit.Und ich hätte nichts dagegen gehabt, eine Weile einfach so sitzen zu bleiben – zuzusehen, wie der Regen die Windschutzscheibe hinabrann, auf den nächsten Blitz zu warten, den nächsten Donner …
    Aber ich musste handeln.
    Ich drehte mich zu Chief um, der neben mir auf dem Fahrersitz saß und gelassen eine Zigarette rauchte. »Dann werd ich mir mal lieber ein Taxi suchen«, sagte ich. »Kannst du Curtis Bescheid geben?«
    Er nickte.
    Ich fasste in meine Tasche, zog das Geld raus, das ich aus dem Portemonnaie meiner Mum genommen hatte, und schaute nach, ob es für ein Taxi reichte. Es war eindeutig mehr, als ich gedacht hatte, über £100.
    »Sag ihm, ich hätte ein Taxi nach Cranleigh Farm genommen«, erklärte ich Chief. »Und dass ich auch mit dem Taxi wieder zurückkomme, okay?«
    Chief nickte noch einmal.
    Und ich sagte: »Bis halb zwölf bin ich allerspätestens wieder hier.«
    »Geht klar … halb zwölf.«
    »Okay«, sagte ich und spähte durch die Windschutzscheibe. »Sieht nicht so aus, als ob es bald aufhören würde zu regnen. Dann mach ich mich mal lieber auf.«
    »Warte«, sagte Chief und fasste über die Rückenlehne. »Hier … nimm die.« Er reichte mir eine Jacke, eine dicke schwarze Donkeyjacke, so ein Teil, wie es Arbeiter tragen. »Ist nicht schön«, sagte er. »Aber hält dich trocken.«
    »Danke, Chief«, sagte ich und lächelte ihn an.
    »Und die …«, ergänzte er und reichte mir eine verstaubte Bikerkappe.
    Ich setzte mir die Kappe auf und lächelte Chief weiter an. »Wie seh ich aus?«
    »Toll«, sagte er und zum ersten Mal in meinem Leben sah ich ihn lächeln.
    Ich beugte mich zu ihm rüber und küsste ihn auf die Wange. »Bis später, Chief.«
    Er grinste. »Oder früher, Lili.«
    Ich lächelte ihn wieder an, dann öffnete ich die Wagentür, zog die Donkeyjacke an und huschte in den Regen davon.

24
    Cranleigh Farm war nicht die schlimmste Sozialsiedlung im Norden Londons und vermutlich auch nicht die größte, doch für jemanden wie mich – eine Privatschülerin aus reicher Familie mit einem großen Haus in Hampstead – war es eine völlig andere Welt. Und als ich in der Mitte des Betonplatzes stand, an dem mich der Taxifahrer rausgelassen hatte, und um mich herum die Hochhaussilos, demolierten Spielplätze, rostigen Eisengeländer und mit Graffiti beschmierten Wände sah … stieg in mir unwillkürlich die Frage hoch, was ich hier eigentlich tat.
    Das hier war nicht meine Welt …
    Ich gehörte hier nicht hin …
    Die Gegend machte mir Angst.
    Das Gewitter hatte sich inzwischen verzogen, doch es regnete noch immer in Strömen, weshalb es mich nicht überraschte, kaum Menschen zu sehen. Ein dunkelhäutiger Alter führte seinen Hund über den Platz und am Eingang von einem der Hochhausblocks lungerten ein paar Jugendliche herum, ansonsten wirkte die Siedlung wie ausgestorben. Auch wenn ich natürlich wusste, dass sie nicht ausgestorben war . Ich hörte von irgendwo Musik – die Bee Gees – und von woanders den Sound von Alice Cooper. Ich hörte den Motor von einem Auto aufheulen und Stimmen in der Ferne … jemand lachte, jemand

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