Live Fast, Play Dirty, Get Naked
müsst keine Sorge haben –«
»Hörst du nicht zu?«, sagte er. »Wir kennen ihn nicht, okay?«
»Ja, aber –«
»Du fängst an mich zu nerven, Mädchen«, sagte er und starrte mich scharf an. »Und das willst du bestimmt nicht, hast du kapiert?«
»Ja, schon.«
»Gut. Dann hau ab und verpiss dich dahin, wo du herkommst, klar?«
Wir starrten uns noch eine Weile an und ich merkte – irgendwie überrascht –, dass ich gar nicht so große Angst vor ihm hatte. Ich fühlte mich zwar noch immer nicht selbstbewusst genug, ihn wegen William zu bedrängen, aber auch nicht mehr bedroht.
»Also dann«, sagte er, mich weiter anstarrend.
Ich hielt seinem Blick noch ein wenig stand, dann nickte ich, drehte mich um und ging ruhig fort.
Ich sah mich erst um, als ich den Platz halb überquert hatte und Richtung West Green Road ging. Alle vier standen noch da und beobachteten mich, deshalb schaute ich wieder nach vorn und ging weiter. Der Regen hatte jetzt nahezu aufgehört, doch die Luft war schwer und stickig und ich hatte das deutliche Gefühl, dass das Gewitter noch nicht vorbei war.
Ich ging durch das Tor der Siedlung, wandte mich nach rechts und folgte eine Weile dem Gehweg. Als ich im Schutzeiner alten Platane stehen blieb und zur Siedlung zurückschaute, sah ich die vier Jugendlichen über den Platz zu dem Wohnblock gehen, zu dem der eine Junge geschaut hatte.
Ich trat hinter den Baum und sorgte dafür, dass ich einen guten Blick auf die Jugendlichen und den Wohnblock hatte, dann schaute ich einfach und wartete.
Ich sah sie in den Wohnblock gehen.
Ich wartete.
Ich hielt die Fenster des Wohnblocks im Auge und suchte sie nach irgendeiner plötzlichen Bewegung ab – einem Gesicht am Fenster, einem Licht, das anging, einem Licht, das ausging …
Ich wusste, dass es wahrscheinlich vergeudete Zeit war. Schließlich war die Reaktion von dem einen Jungen der einzige Hinweis darauf, dass William in dem Block wohnte. Und selbst wenn meine weiteren Annahmen stimmten – dass die Jugendlichen William erstens kannten, und zwar so gut, dass sie mir verschwiegen hatten, wo er wohnte, und dass er zweitens sofort Bescheid wissen wollte, wenn jemand nach ihm fragte, selbst wenn sie ihn also tatsächlich gerade über mich informierten –, war die Chance, ihn zu entdecken, ziemlich gering. Falls er überhaupt zu Hause war und auch noch aus dem Fenster schaute. Vielleicht wohnte er ja in einer der Wohnungen, in denen kein Licht brannte, vielleicht wohnte er auf der anderen Seite des Blocks, vielleicht war er gar nicht zu Hause …
Doch ich schaute trotzdem.
Und nach ein, zwei Minuten sah ich etwas.
Es war nicht Williams Gesicht, es war das Gesicht einer Frau. Ich sah es nur kurz – ein knappes Zucken des Vorhangs, ein Gesicht, das nach draußen schaute und die Straßeabsuchte … es hätte jeder sein können. Doch dann, gerade als sich der Vorhang wieder schloss, sah ich noch jemanden am Fenster, jemanden, der hinter der Frau stand, mit ihr sprach und nach unten auf den Platz zeigte …
Das Mädchen in dem Tanktop.
Der Vorhang schloss sich, aber ich hielt den Blick weiter auf das Fenster gerichtet, fixierte die Lage in meinem Kopf: siebter Stock, letztes Fenster links … von mir aus links. Ich murmelte es immer wieder vor mich hin – siebter Stock, letztes Fenster links … siebter Stock, letztes Fenster links –, bis ich mir ganz sicher war, es nicht mehr zu vergessen, und danach wartete ich einfach.
Es dauerte nicht lange.
Nach zehn Minuten kamen die vier Jugendlichen aus dem Wohnblock und liefen zurück über den Platz. Als sie den andern Block erreichten, den, vor dem sie gestanden hatten, gingen die beiden Jungs und das Mädchen hinein und der schwarze Junge lief ohne sie weiter. Ich beobachtete ihn, wie er sich durch die Siedlung entfernte, vermutlich zu dem Block, in dem er wohnte, und wartete, bis er verschwunden war. Danach wartete ich noch ein paar Minuten länger, um sicher zu sein, dass er nicht wieder zurückkam, dann trat ich hinter der Platane vor und machte mich auf die Suche nach der Frau, die ich am Fenster gesehen hatte.
Es war niemand in der Nähe, als ich den Wohnblock betrat und in den Aufzug stieg. Ich drückte den Knopf für den siebten Stock, wartete, dass sich die Türen schlossen, und schüttelte den Regen aus der Jacke, so gut es ging. Während der Aufzug ächzend und klappernd nach oben fuhr, betrachtete ich alles um mich herum – die mit Graffiti beschmiertenWände, die Reihe von
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