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Live

Live

Titel: Live
Autoren: Ein Thriller
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offenhalten konnte. Diese Nacht würde allein Franklins Problem sein.
     
    Er hob die Hand, um dem alten Mann einen stummen Gruß anzubieten.
     
    Franklins Mundwinkel zuckten. Speichel lief über die Lippen und sammelte sich an einer Seite des Kinns, die nicht rasiert worden war und mit grau-schwarzen Stoppeln überwuchert wurde und nur einen Teil seiner bleichen, käsigen Haut zeigte, die schlaff an den Wangenknochen herunterhing und David das Gefühl gab, als hätte jemand dreckige Handtücher auf eine Leine auf gehangen, die sich jetzt im stetigen Wind von Franklins Atem hin- und her bewegten.
     
    Er trug eine Lederjacke, die bis zu den Knien reichte und darunter eine dreckige  Cordhose enthüllte, die an mehreren Stellen weißlich schimmerte, beinahe so, als hätten einige der Tauben, die zu Hunderten den Tompkins Square Park in der Lower Eastside besetzt hielten, den alten Mann als persönliche Toilette ausgewählt.
     
    An den Füßen waren Nike Turnschuhe, die zu einer Zeit hergestellt sein mußten, als Michael Jordan noch nicht einmal in die Planung seiner Eltern mit einbezogen war (ganz zu schweigen von seiner späteren Karriere als Basketballstar). Franklin trug keine Socken - sein einziges Eingeständnis an die Hitze. Zwischen dem Bord der Turnschuhe und der Kante der Hose war das helle, bleiche Leuchten von ungesunder Haut.
     
    Der Geruch von Erbrochenem und Whiskey wehte David entgegen. Franklin wankte näher.
     
    „Tut…tut mir leid“, stotterte er und kratzte sich am Kinn.
     
    „Ist schon in Ordnung“, nickte David.
     
    Franklin sah sich seinen Zeigefinger an.
     
    Unter dem beharrlichen Kratzen war ein Teil seines Schorfes aufgeplatzt, der hinter den dreckigen Stoppeln seines Bartes gewesen war - Blut lief in kleinen Tropfen die Wange herunter und färbte die linke Hälfte des alten, verbrauchten Gesichtes. Die Spitze seines Zeigefingers hatte ebenfalls das rote Leuchten auf der Haut.
     
    „Falle auseinander“, murmelte er, holte ein Taschentuch aus der Jackentasche, faltete es auseinander und preßte dann die sauberste Stelle gegen die Wunde.
     
    David schaute weg. Es interessierte ihn nicht. Es war eine Viertelstunde nach Beendigung seiner Schicht und er konnte es nicht erwarten, nach Hause zu kommen. wenn er sich beeilte, dann konnte er noch den letzten Bus erwischen, der vom Washington Square Park in die Bowery fuhr. Fast zwanzig Minuten Fahrzeit, dann wäre er in etwa um ein Uhr nachts in seinem Appartement und würde bis um acht Uhr schlafen können, bevor er rüber gehen mußte zu Rosalita Alonsos Wohnung, um sich die Wasserrohre einmal anzusehen.
     
    Das hatte er ihr gestern versprochen, bevor er zu seiner Schicht aufgebrochen war.
     
    Die 32 Jahre alte Einwanderin aus Mexiko hatte das Geld, um sich einen echten Handwerker zu bestellen. Sie bekam kaum genug Geld zusammen, um ihre zwei Kinder zu versorgen. Und den Hauswirt kümmerte es einen Scheißdreck, ob es in den einzelnen Appartements Wasser gab oder nicht. Eine Reparatur von seiner Seite war also nicht zu erwarten.
     
    David hoffte, der Schaden würde nicht allzu groß sein. Vielleicht eine verstopfte Düse in der Zentralverteilung, oder ein schadhaftes Rohr unter der Spüle – irgend etwas, was er mit seinen geringen Fähigkeiten würde beheben können, und vielleicht ihm ein paar Punkte auf seinem Karma Konto einbringen würde.
     
    „Die Schlüssel für die Kasse sind unter dem Tisch“, meinte er zu Franklin, als er sich hinter der Ladentheke hervor arbeitete. Franklin nickte schwach.
     
    „Voll heute?“
     
    David war sich nicht sicher, ob Franklin den Laden meinte oder sich selbst.
     
    „Es geht. Acht oder neun Leute sind noch hier. Zu heiß zum einkaufen“, antwortete er dann nach einer kurzen Bedenkzeit. „Kamera 3 macht wieder Schwierigkeiten. Wenn das Bild verschwimmt…“
     
    Franklin schien aus seinem alkoholgeschwängerten Halbschlaf herauszukommen. Die roten Augen glitzerten nicht mehr so, waren eine Spur schärfer geworden, als der alte Mann selbst hinter der Ladentheke Aufstellung genommen hatte und mit einem flüchtigen Blick auf die Monitore heruntersah.
     
    „…dann geb ich dem System einen kleinen Klaps“, fuhr er fort, deutete eine Faust an und nickte. „It‘s not a trick…“
     
    David lachte.
     
    „It‘s a fucking Sony.“
     
    „Richtig.“
     
    David schaute auf die Uhr. Wenn er den Ladenausgang nahm, dann würde er es nicht mehr schaffen, den Bus zu bekommen, egal, wie
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