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Live

Live

Titel: Live
Autoren: Ein Thriller
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sehr er sich beeilen würde. Er könnte einen Weltmeisterschaftssprint hinlegen und würde trotzdem nur die roten Schlußleuchten in der Dunkelheit aufblitzen sehen, wenn der Bus um die Ecke des Washington Square Parks bog und dann in Richtung Osten Manhattans verschwand. Wenn er den Lieferanteneingang nahm, der auf eine kleine Seitengasse herausführte, dann hätte er beinahe eine ganzen Block gespart. Er warf einen Blick auf die Uhr an der Wand. Möglich.
     
    Wenn er sich mehr als beeilte.
     
    Möglich.
     
    Er nahm seine Sporttasche vom Boden, verschloß den Reißverschluß und hing sich den Nylonrucksack locker um die Schulter. 
     
    „Ich geh hinten raus, okay? Wir sehen uns morgen abend, Franklin.“
     
    Aber Franklin antwortete nicht mehr. Er war schon in die verschiedenen Bilder versunken, die auf den Monitoren zu sehen waren. Seine Lippen zuckten, als er leise die Personen zählte, die noch im Laden waren. Er hob nur die Hand, um David zu verabschieden.
     
     
     
    00:17
     
    David Rajinesh arbeitete sich an den großen Gefrierkühltruhen vorbei, die im hinteren Teil von Harper‘s  aufgestellt worden waren. Sie alle hatten schon bessere Zeiten gesehen – in den späten sechziger Jahren, als noch niemand von dem Ozonloch wußte und sich niemand um die FCKWs Gedanken zu machen brauchte, die irgendwo in den Eingeweiden der großen Aggregate waren. Eines der Aggregate bockte kurz auf, ein mechanischer Rülpser, dann kehrte der Elektromotor zu seinem tiefen, beruhigenden Brummen zurück.
     
    David öffnete die schmale, braune Holztür, die in den Lagerraum von Harper‘s führte. Das Holz war vor Jahren einmal feucht geworden, der Türrahmen hatte sich verzogen und seitdem war sie nur mit einem beinahe unmöglichen Kraftakt von innen zu öffnen. Das Holz knirschte leise, als er sie aufzog. Stickige Luft kam ihm entgegen, Staub, der fast sichtbar war und ihn sofort zum Niesen reizte. Der Lagerraum war von modrigem Gestank erfüllt, verfaulendem Wasser, das sich zwischen den Wänden und den alten Tapeten festgesetzt hatte.
     
    Einige Pfützen schillerten auf dem unebenen Steinfußboden, hier, wo nicht einmal die Hitze ihnen etwas anhaben konnte. Einfache Holzregale waren aufgebaut; vom Fußboden bis hin zur Decke, die knapp drei Meter über ihm war. Zwei Neonröhren gaben flackerndes, grelles Licht ab.
     
    Hier gab es keine Ordnung.
     
    Keine Lautsprecherdurchsagen, die Kunden auf die neuen Sonderangebote dieser Woche aufmerksam machten. Es gab keine Preise. Die Waren immer noch in Plastik eingepackt, Aufkleber mit computerlesbaren Strichcodes an den Seiten der Pakete, auf denen die Daten ihrer Herstellung, die empfohlenen Preise und die Haltbarkeitsdaten enthalten waren.
     
    Und auch dieser Laden hatte einen Eingang.
     
    Er befand sich am Ende der verschachtelten Gänge, kaum sichtbar hinter den Regalen, den Bergen von Tüten und Paketen, die sich überall stapelten. Eine weitere Tür, diese aber aus Metall, grauer Lack über Stahl, mit einem klobig wirkenden Sicherheitsschloß, die nach draußen in eine der kleineren Gassen führten. Kein Kunde würde je durch diese Tür in den Laden kommen. Sie war nur für Personal, Lieferanten, die mit Dreck bespritzten Kleinlastern in die Gasse hineinfuhren und Paletten mit neuen Waren ablieferten.
     
    David sah auf die Uhr an seinem Handgelenk.
     
    Es war schon 18 Minuten nach Mitternacht, als er die Stahltür mit seiner Schulter aufstieß und auf die Laderampe trat. Unter den Sohlen seiner Turnschuhe klebte ein Rest von Kaugummi. Er verzog sein Gesicht und rieb den klebrigen Abfall mit einer schnellen Fußbewegung ab.
     
    David sprang die Laderampe hinunter, fing sein Gewicht mit leicht federndem Oberkörper ab und verfiel in einen leichten Trab. Die Müllabfuhr würde erst am frühen Morgen kommen; der Abfall von zwei Tagen füllte die acht großen Zinktonnen an der Seite der Gasse bis zum Rand. Und noch darüber hinaus. Einige der kleineren Appartements in diesem Block hatten keine eigenen Abfalleimer - schwarze Säcke stapelten sich neben den Tonnen. Er hielt den Atem an.
     
    Das war einer der Gründe, warum er normalerweise niemals den Hinterausgang benutzte. Trotz der Zeitersparnis von bis zu fünf Minuten, die man erreichen konnte, wenn man hinauf zum Washington Square Park gehen wollte. Der Gestank war schon so sehr ein Teil der Gasse geworden, daß er nicht einmal die überfüllten Abfalltonnen brauchte, nicht die gestapelten Müllsäcke, um sich
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